WILHELM LEIBLSELBSTBILDNIS. FEDER
ZEICHNUNG (1896) Mit Genehm, d. Photographischen Gesellschaft, Berlin
ÜBER WILHELM LEIBL
Von Georg Jacob Wolf
„Es ist ein Maler schlechtweg . . ., der sich vom Diebstahl an der Natur ernährt,
kein Wappen hat, als seinen Pinsel . . . “
Schiller, Die Verschwörung des Fiesco, 11,17.


E


s gibt auch in der neuesten deutschen
Kunstgeschichte tiefbeschämende Momente. Die Verkennung, die Wilhelm Leibi jahrzehnte
lang bei seinen Landsleuten erfuhr, ist solch
ein Moment — sie ist um so beschämender, als man, während die deutsche Kritik Leibi unter
schätzte oder völlig ablehnte, in Frankreich bereits das volle Verständnis für Leibis Größe besaß und der Bewunderung für den Künstler beredten Ausdruck lieh. Klingt es nicht wie bittere Ironie, daß die französische Kritik es war, die zuerst den Zusammenhang Leibis mit den großen alten deutschen Meistern, mit Dürer und Holbein, betonte, daß die französische Kritik Leibi den größten deutschen Maler seiner
Zeit nannte? Es mußte soweit kommen, daß Leibi mit Bezug auf sein „Wildschützen“-Bild (Abb. S. 11) unterm 12. November 1882 an seinen Freund Kayser in Wien schreiben konnte: „Es soll niemand wissen, was ich male, bis
ich fertig bin und dann gleich weiter damit und keine Sekunde in Deutschland ausgestellt“.
Aehnlich hatte er sich schon gelegentlich des „Kirchenbildes“(Abb.geg.S. 16)geäußert: „Am liebsten wäre es mir, wenn das Bild fertig ist,
es gleich aus Deutschland wegzuschaffen“. Auf diesen Entschluß Leibis eingehend, schrieb Herr von Schön in Worms, der das „ Kirchenbild“ erworben hatte, an den Künstler: „Daß Sie in Deutschland nicht mehr ausstellen wollen, be
greife ich vollkommen. Das Auge der großen Menge ist hier nicht offen genug, um Ihre Bilder zu würdigen, man hängt noch zu viel