H. HAHNFIGUR AN DER PRINZREGENTENBRÜCKE IN MÜNCHEN (1904)
HERMANN HAHN
Von Georg Jacob Wolf


W


enn außerhalb Münchens häufig von einer
„Münchner Bildhauerschule“ im Sinne programmatischer Plastik gesprochen wird, so
ist damit fast ausschließlich ein imaginärer Kreis um Adolf v. Hildebrand gemeint. Hält man dieser Anschauung die Forderung entgegen,
doch die Namen solcher Hildebrand-Adepten zu nennen, so ertönt zuweilen schüchtern und wohl ein bißchen verlegen der Name:
Hermann Hahn. Es bedarf keiner anderen Antwort als dieser, um die Hinfälligkeit der Konstruk
tion einer „Hildebrand-Koterie“ darzutun. Denn jedem, der Werk und Werde
gang Hildebrands und Hahns auch nur aus der Ferne kennt, wird sich die Ab
gründigkeit desUnterschieds im Wirken beider Meister ohne weiteres offenbaren.
Gewiß, Hildebrands „Pro
blem der Form“ haben alle Münchner Plastiker, und mit ihnen auch Hahn, mit
Nutzen gelesen, und zu der imponierenden künstlerischen Persönlichkeit des
starken Meisters, der gewissermaßen eine Traditionverkörpert, sieht man voll Verehrung auf — aber das bedingt noch lange nicht, daß alle Münchner Plastiker Hildebrands Nachtreter und Anbeter sein müssen. Gerade Hermann Hahn widerlegt in persönlichem Stil und in seinem Entwicklungsgang aufs schlagendste eine solche
Behauptung. Wenn auch er, wie Hildebrand und manche anderen, eine heiße Liebe zur Antike und zu ihrer rassigen Wiedererweckung
durch die italienische Re
naissance hat: wie er das in seinen eigenen Werken ausdrückt, das ist doch ganz selbst gefunden; dazu führten ihn nicht wie Hilde
brand Hans von Marees’ geistvolle Reflexionen, dazu bedurfte er auch nicht eines Winckelmann oder des älterenFeuerbach „Griechischer Plastik“, an der sich Anselm Feuerbachs Hellenis
mus wärmte, sondern sein Griechentum fand die eigene und neue Ausdrucksform sehr bald, indem es in der Gegenwart untertauchte und