Holzschnittbicher unserer offentlichen Bibliothek in den ver-
schiedenen Fachern, worin sie zerstreut stehen, aufzusuchen
und die sparlichen Notizen itiber Zeichner und Holzschneider
aus den Anfangs- und Endtiteln, wie aus den Vorreden und
Dedicationen herauszulesen. Es geht zwar in der Kunstge-
schichte eine dunkle Sage, wonach Seb. Brant sogar unter die
Holzschneider seiner Zeit gezahlt wird und Jos. Heller in sei-
ner Geschichte der Holzschneidekunst S. 90 findet nicht ganz
tberfltissig, bemerken zu miissen, dass das mit Unrecht ge-
schehe, wie auch bei dem Basler Buchdrucker Joh. Bergmann
von Olpe und dem schmutzigen Nachahmer Brant’s, dem fah-
renden Franciscaner-Ménche Thomas Murner. Heller sagt nicht,
wo er diese Notiz gefunden. Sie beruht ohne Zweifel auf
fliichtiger Kunde einer der Belegstellen, woraus ich die Be-
theiligung Seb. Brant’s bei dem Holzschnitte seiner Zeit nach-
weisen werde, zugleich aber auf der irrigen Voraussetzung,
dass diese Betheiligung nothwendig in eigenhandigem Form-
schnitt bestanden haben miisste; — eine technische Arbeit,
welche kein Billiger dem viel beschaftigten Gelehrten und Staats-
mann zumulhen wird. Gerade diese Voraussetzung aber ist ein
Vorurtheil, welches auch sonst viel Verwirrung in der Kunst-
geschichte veranlasst hat, indem dadurch die verschiedenen,
bei cinem Holzschnitt méglicher Weise ganz gelrennten Kunst~
leistungen: die urspriingliche Zeichnung, die Uebertragung der
Zeichnung auf den Holzstock und der Schnitt selbst, zusam-
mengeworfen und damit die Namen mancher Kinstler, wie A.
Diirer und H. Holbein, mit ciner Menge schlechter Schnitte be~
lastet, auf der anderen Seite dagegen dic immerhin grossen
Verdienste einzelner Holzschneider, wie. Hans Ltitzelburger, in
Schatten gestellt werden, eine Verwirrung, welche bekanntlich,
nachdem sie von Unger, Bartsch, Sotzmann gelést war, von
Rumohr in Beziehung auf H. Holbein, gegen die Nachweisungen
des Hrn. Pet. Vischer, hartnackig ist festgehalten worden. Aueh
auf diese Frage wird die kiinstlerische Betheiligung Brant’s ein
schlagendes Licht werfen, indem bei aller Verdienstlichkeit sei-
ner Zeichnungen wird gestanden werden miissen, dass sie eben
nicht der kiinsUlerischen Art waren, um ohne die Dazwischen-
kunft anderer Kiinstler in Holz ausgefihrt werden zu kénnen,
und dass dic danach gefertigten Holzschnitte daher auch im
Werthe sehr verschieden ausgefallen sind, je nachdem er ge-
schickte oder ungeschickte Hande fand zur Uebertragung seiner
Zeichnungen auf den Holzstock und wieder zur Fertigung des
Schnittes. Es wird sich namentlich zeigen, dass je bei den
einzelnen Holzschniltfolgen es meist nur Eine, von seiner ver-
schiedene Hand war, welche seine Vorzeichnungen auf den
Holzstock tibertrug, und dass dann wieder sehr verschiedene
Hande beschaftigt waren, diese Stésse zom Behuf des Abdrucks
auszustechen.

Um die Betheiligung Brant’s bei dem Holzschnilte seiner
Zeit begreiflich zu machen, geniigt es hinzuweisen: auf den
damaligen Schwung der jungen Buchdruckerpresse, namentlich
in Basel, wo Brant mit Bergmann von Olpe und Michael Furter,
und in Strassburg, wo er mit Joh. Griininger in schriftstelle-
rischer, wo nicht in geschafllicher Verbindung stand; auf die
noch viel unmittelbarere Verbindung der Gelehrten mit der
Presse und dem Buchhandel, die sich noch nicht als besonderer
Beruf mit fertiger Technik abgelést hatten, so dass Gelehrte,
wie dic obengenannten Bergmann und Griininger, wovon jener
Canonicus und dieser Magister war, sich vorzugsweise zam
Buchdruck und Handel berufen glaubten und wohl auch ab-
wechselnd, wie Joh. Oporin in Basel, aus der Buchdruckerei
auf den Catheder stiegen; endlich auf den herrschenden Ge-
schmack des Publikums, welcher Holzschnitt-Ulustralionen bald
bei allen, nicht blos deulschen, sondern auch lateinischen Druck--
	werken forderte, wozu der Kunstler nothwendig der Beihilfe
eines Gelehrten bedurfte.

Den Anlass zu der Sage, dass Brant selbst in Holz ge-
schnitten, hat wohl die Titelinschrift der 1502 bei Joh. Gri-
ninger in Strassburg erschienenen Jateinischen Ausgabe des Vir-
gil!) gegeben: ,,mit 5 Commentaren und feinen durch Seb.
Brant hinzugefigten Figuren und Bildern*; denn diese Inschrift
spricht allerdings den Antheil Brant’s an den Holzschnitten die-
ser Ausgabe, welche sonst nach Ebert wohl nur ein Abdruck
einer Venediger Ausgabe war, ganz unzweideutig aus. Allein,
welcher Art dieser Antheil war, bleibt unentschieden. Dass
Brant die Holzschnitie selbst gefertigt halte, ist geradezu un-
moéglich, denn die Zahl derselben belauft sich aber 200. Brant
hatte Anderes und Besseres zu thun. Am wahrscheinlichsten
ist, dass er die Vorzeichnungen dazu geliefert und dass dann
ein im Dienste der Grininger’schen Officin stelender Kunstler
sie auf den Holzstock tbertragen, wohl auch mehr oder we-
niger umgezeichnet hat, der Schnitt dagegen von anderen Ar~
beitern, deren sich mehrere, bessere und schlechtere, deut-
lich unterscheiden, geferligt wurde. Allein die Betheiligung
Brant’s konnte auch eine entferntere sein, eine so entfernte,
dass die ganze Entdeckung einer kiinstlerischen Mitwirkung von
seiner Seite in Nichts zu zerrinnen droht: Brant konnte auch
blos der Besteller und Besorger der Holzschnitte sein, etwa
dem Kistler die darzustellenden Scenen angegeben und be~
schrieben und ihre Ausfiihrung geleitet haben; denn das reichte
fir den Buchhandler hin, seine Bethatigung dabei auf dem Titel
hervorzuheben, besonders da der Name Brant’s bereits einen
sehr empfehlenden Mang hatte.

Allein Brant ist nicht blos auf dem Titel des Griininger’-
schen Virgils als Urheber der Holzschnitte genannt, sondern
kindigt sich auch selbst in einer poetischen Zuschrift an den
Leser?) als solchen an. Er legt grossen Werth auf die Ver-
anséhaulichung und Verdeutlichung der Dichtung durch die Bil-
der, indem jene dadurch nicht blos den Gelehrten, sondern
auch den Laien zuganglich werde und nennt in der Beziehung
seine Ausgabe den vorziglichsten Virgil, weleher auf der Welt
existire. Das alles konnte freilich ohne alle Betheiligung ktinst-
lerischen Selbstgefihls blos aus Gefalligkeit fir den Buchhandler
oder aus geschaftlichem Mitinteresse zur Empfehlung der Ausgabe
gesagt sein; auch bezieht sich in der That die Anpreisung nicht
auf den kiinstlerischen Werth, sondern den veranschaulichenden
Nutzen der Bilder. Allein nach und nach tritt das kiinstlerische
Selbstgefiihl hervor®), indem Brant auf die hohe Stellung der
Malerei im klassischen Alterthume tibergeht: , Gross war nicht
der Ruhm der Malerkunst“, und bekannte und unbekannte Kinst-
	4) Virgilii opera, cum quinque commentariis (Servii, Donati, Landini,
Mancinelli et Calderini) expolitissimisque figuris, atque imaginibus per Seb.
Brant superadditis. —- Argentine J. Grieninger. 1502. Fol.
	2) Seb. Brant ad lectorem operis. +;

Lectori loquitur liber bic, pictasque tabellas
Commendat, quales Virgilio addiderit.

Perlege Virgilios, quotquot boue lector in orbe
Comperies toto: me quoque confer eis;

Spero equidem dices me longe alios superare
Videris atque ante hac nec mihi ubique рагет.

Hic legere historias, commentaque plurima doctus,
Nec minus indoctus perlegere illa potest.
	3) Magna fuit quondam picturae gioria.
Pictores Fabii dictatoresque fuere.
Pinxit Aristides.
Sed quorsum, o lector, nos haec meminisse putabis
	Picturae laudem quam damus eximiam ¢
Quam nisi: ut has nostras quas pinximus ecce tabellas

 
	Virgilio: charas tu quoque habere velis:
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