die wallenden Federn auf der unverhiltnissmissig kleinen, oft
fast verschwindenden Маше.

Ich bemerke nur noch, dass auf dem Holzstock zu der
ersten Scene des dritten Akts der Andria an einer Wand fol-
gende Zeichen, die wie Handzeichen der Holzschneider ausse-
hen, von der breiten Hand eines Geschaftsmannes, welche sich
	nicht scheute, verwischte Stellen der Zeichnung wieder herzu-
	stellen, angeschrieben stehen: Ab, Hd, NB, PI, IH und ESV  
$
	Das letzte 8 hatte in der senkrechten Reihe, in welcher die
Zeichen untereinander geschrieben sind, keinen Raum gefunden.

Um die gleiche Zeit, in welcher unsere Holzstécke ent-
worfen wurden, war bei Grininger in Strassburg ein mit Holz-
schnitten illustrirter Terenz erschienen, ndmlich 1496 unter dem
Titel: Terentius cum directorio, glossa etc. und 1502 als:
Terentius comico carmine; und es ist interessant, nachzu-
sehen, ob diese Griininger’sche Mllustration in einer Verbin~
dung mit unsern Holzstécken und Seb. Brant stehen? In der
ersten Ausgabe von 1496, welche bereits fast alle Holzschnitte
enthalt, findet sich keine Spur einer Mitbetheiligung Branl’s,
wie er denn auch damals noch nicht in Strassburg war; sie
scheint von Locher besorgt. In der zweiten Auflage von 1502
dagegen steht zwar ein Lobgedicht Brant’s auf Terenz; es er-
wahnt jedoch der Holzschnitte mit keiner Sylbe. Diese sind
auch der Art, dass sie ohne gelehrte Vorzeichnung auf hlosse
Bestellung und Beschreibung hin von einem gewohnlichen Kiinstler
gefertigt werden konnten: Es sind 6 Titelblatter zu den 6 Co-
modien, worauf die Personen des Stiicks versammelt, mit Na-
men bezeichnet und die Liebespaare mit Strichen vereinigt sind;
sodann einzelne mannliche und weibliche, alte und junge, vor-
nehme und geringe Personen auf einzelnen Holzstécken, welche
vor ‘den betreffenden Scenen zusammengestellt werden und so
zusammengesetzte Holzstécke bilden, welche von da an in den
Strassburger und Mainzer Druckereien die ausgedehnteste An-
wendung finden, als beliebtes Mittel zur Vervielfaltigung ihrer
Holzstécke. Der Zeichner ist indess derselbe, den Brant 1502
zur Anfertigung seiner Virgil’schen Illustrationen brauchte; da-
gegen findet sich fast keine Uebereinstimmung mit den Figuren
unserer Holzstécke. Mir scheint dieser Griininger’sche Terenz,
eben durch seine ungeniigenden und willkirlichen Bilder, mehr
nur die Veranlassung fiir Brant gewesen zu sein, an eine ein-
lasslichere und sachgetreuere Illustration des von ihm hochge-
	Hiolzschnittwerk.
	Holsschnitte bertihmter Meister. Hine Auswahl
von schinen, charakteristischen und seltenen Original-
formschnitten oder Blittern, welche von den Erfindern,
Malern und Zeichnern eigenhéndig geschnitten worden.
In treuen Copieen von bewtihrien Kiinstlern unserer Leit
und als Bildwerk zur Geschichte der Holzschneidekunst
herausgegeben von R. Weigel. Zweites und driites Heft
von je fiinf Blittern auf chines. Papier, auf Cartons
gelegt, nebst Text. In einer Mappe. Fol. Pr.: & 3 Thir.
Leipzig, Rud. Weigel. 1851.

Das zweite Heft dieser Sammlung  ) beschaftigt sich aus-
schliesslich mit unserm diesjahrigen Schutzpatron, Hans Hol-
	bein, dem Jtngeren. Man kann nicht von Hans Holbein dem
Jiingeren als Formschneider reden, ohne wie zum Turnier ge-
	1) Wir berichteten iber das erste in No 11.
	stellften Komikers zu denken.
	wappnet zu sein. ,Halt* — hor’ ich rufen — ,,weise dich aus,
Rumohr oder Sotzmann, Eigenhandigkeit der Formschnitte, oder
nicht?“ — Gestrenge Herren, ich habe mir die Meinung gebil-
det, dass man das Eine glauben kann und das Andere nicht zu
bezweifeln braucht. Ich will nicht auf den Streit zurickkom-
men, aber fir diejenigen, die ihn noch nicht ganz verfolgt
haben sollten, die néthige Literatur hier unten auffihren ); ja
noch mehr, ieh will die bei diesem Streite so wichtig und be-
riithmt gewordene Herzogin, diese Helena des Formschnittkriegs,
nach einem Abklatsch eines sehr vortrefflichen Holzschnitts von
dem Grafen Léon de Laborde hier abdrucken lassen.
	Hiermit glaube ich mir den ruhigen Genuss der Mappe erwor-
ben zu haben.

Die erste Tafel enthalt: ,zwei Blatter aus Cranmer’s Ka-
techismus, London 1548“, diesem so dusserst selienen Werke,
und zwar

a. ,Moses empfingt die Gesetzestafeln auf dem Berge Sinai.“

b. ,Christus treibt den Teufel aus.“

Ohne Zweifel hat der Herausgeber von den fiinf Blattern
des Katechismus, welche er dem Holbein zuschreibt, die zwei
besten gewahlt; denn ich kann mir nichts Interessanteres und
Charaktervolleres denken, als diese kleinen Darstellungen. In
der Figur des ersten Blattchens ist eine Gewaltigkeit und Gross-
artigkeit, eine Realilat, welche frappirt. Dieser Moses hier
volizieht keine feierliche Aktion, er ist, fern von allem con-
ventionellen Ausdruck, ganz der grosse Fihrer Israels, das
Sorge und Arbeit gewohnte Oberhaupt, dem diese Gesetzem-
pfingniss eine auf seinem Wege liegende That ist. Der aus-
gestreckte Arm ist dusserst charakteristisch in der Bewegung,
die obere Contourlinie desselben besonders fein motivirt.

Noch anziehender ist das zweite Blattchen, welches ich in
der Composition und Zeichnung das geistreichste in dem gan-
zen Hefte nennen méchte. Meisterhaft gezeichnet vor Allem ist
die krampfhaft zuritckgebogene Figur des Besessenen, die Ver-
kirzung des Kopfs, der ganze Oberkérper. Ebenso der be-~
stirzte Kahlkopf, der ihn halt. Welch’ eine Mannigfaltigkeit
des Gesichtstypus erscheint in den Képfen der drei dahinten-
	1) C. F. v.Rumohr: Hans Holbein der Jingere in seinem Verhilt~
niss zum deutschen Formschnittwesen. Leipzig, R. Weigel. 1836. — Auf-
sitze dagegen von Sotzmann im Kunstblatt 1836. No. 30 etc. u. 83. —
v. Rumohr: Auf Veranlassang und in Erwiederung von Einwiirfen eines Sach-
verstindigen gegen die Schrift Hans Holbein etc. Leipzig 1836. — Derselbe:
Zur Geschichte und Theorie der Formschneidekunst. Leipzig, R. Weigel, 1837.
— Peter Vischer, im Kunstblatt 1838. No. 50—-54. 1843. No. 15. etc. —
A. E. Umbreit: Ueber die Eigenhandigkeit der Malerformschnitte. Erstes wu.
zweites Heft. 1840 — 1843. Leipzig, BR. Weigel. — Vgl. auch Naglers Kinstler-
lexikon, Art. Litzelburger.