derst, dass tiber dem h. Geist, welcher den Thomas Becket in
Gestalt einer Taube iiberschwebt, eine Prachtkrone herabhangt,
worin der auferstandene Christus, eine Figur von einem sehr
schénen Motiv, und daritber in einem Rund die Maria mit dem
Kinde ausgefihrt ist. Bekanntlich ist dieses mit dem Jahre
1421 den 30. October bezeichnete Bild das friihste datirte Werk
des Meisters. Dasselbe scheint mir nun die jetzt ziemlich all-
gemein angenommene Zeit seiner Geburt um 1396 durchaus zu
bestatigen. Verglichen mit den tbrigen bekannten, besonders
den mit 1432, 1434, 1436 bezeichnelen Werken des Meisters
verrath dasselbe offenbar noch etwas sehr Jugendliches. Die
Zeichnung ist minder sicher, der Vortrag minder fest, ganz be-
sonders aber die Formen der Képfe minder verstanden, minder
bestimmt und ungleich einférmiger und leerer. Merkwirdiger
Weise finden sich schon hier in den Ausgangen der Fallen jene
scharfen Briiche, welche ihn zu seinem Nachtheil von seinem
Bruder Hubert unterscheiden. Bei dem local-englischen In-
teresse des Gegenstandes bin ich indess tiberzeugt, dass dieses
Bild urspriinglich von ihm fiir einen Englander gemalt worden
ist. Auch hat dieses nichts Befremdliches, da die Umstinde,
dass er bereits im Jahre 1420 der Malerzunft von Antwerpen
einen von derselben bewunderten Christuskopf vorgewiesen,
und dass er, wohl noch friiher, bereits im Dienst von Johann
von Baiern, Bischofs von Liittich, stand, beweisen, wie frith
er schon zu grossem Rufe gelangt war.

Derselbe. ,,Die vor eimem griinen Schirmdach in einem
Zimmer sitzende Maria halt, in einem Gebetbuche blatternd, das
Kind auf dem Schoosse“, Ueber einem blauen Kleide hat sie
einen reichen, rothen Mantel an, welcher sich in viclen scharf-
brichigen Falten ausbreilet. .Auf einem Tisch am Fenster zur
Rechten ein Gefass, zur Linken auf einem Borde ein Leuchter,
eine Kanne und Schliissel; am Boden eine Schiissel. Rechts
voin Schirmdach der bekannte Wahlspruch, welcher jetzt ,,als
ich chan“, gelesen wird, links von demselben mit ziemlich
starken Abreviaturen: ,,Completum anno domini MCCCCXXXII
per Johannem de Eyck Brugis“. Dieses auf Holz gemalte,
elwa 9 Zoll hohe und 6 Zoll breite Bildchen zeichnet sich durch
den ungew6hulich edlen Kopf der Maria, durch eine sehr tiefe
Glut in der Farbung und die fleissigste Durchfihrung aus. In
Folge langer Vernachlassigung hat die Farbe vielfache Spriinge
erhalten. Sonst ist die Erhaltung gut. Nach der so ausftthr-
lichen Inschrift scheint der Kiinstler selbst einigen Werth auf
das Bild gelegt zu haben. In der Sammlung des Hrn. Blundell
Weld zu Ince~Hall unweit Liverpool (Lancastershire).

Justus von Gent. ,,In dem Presbyterium einer schénen
gothischen Kirche wird ganz im Vorgrunde ein heiliger Bischof
in vollem Ornat in die gedffnete Gruft gesenkt“. Zwei Geist-
liche in weissen Chorhemden zu seinen Haupten handhaben den
Leichnam. Ebenda ein Bischof mit zusammengelegten Fingern
ein Gebet verrichtend. Zu den Fiissen des Verstorbenen schwingt
ein anderer Bischof, dessen Mantel von Goldbrocat von einem
Geistlichen getragen wird, knieend das Rauchfass. Hinter jenem
Geisthichen, jedoch mehr zuriick, ebenfalls knieend und andachtig
abwarts blickend, ein schon Altlicher First, in der Linken eine
Pelzmiitze mit der Krone haltend. Nach dem blauen Lilien-
mantel wohl ein Konig von Frankreich. Hinter ihm zwei Kna-
ben, sechs Manner und eine Frau, welche simmtlich die Blicke
nach dem Todten richten. Hinler dem Bischof zu den Haupten
stehend eine firstliche Person mit abgewendetem Profil, in der
reichsten Tracht des burgundischen Hofes, z. B. ein Pelz von
rothem Goldbrocat. In seiner Nahe zwei Geistliche, drei Laien
und eine junge Frau von einnehmender Bildung. Ausserhalb
	 der Einhegung des Presbyteriums noch Manner und Frauen,
	zum Theil von gemeinen Ziigen und Ausdruck, welche voll
	theilung nahm man an: 1. ordentliche, 2. auswarlige, J. Ed-
renmitglieder, 4. Kunstverwandte.

Jedes ordentliche Mitglied hat auch nach diesem Plane die
Pflicht, jahrlich ein Werk zur 6ffentlichen Ausstellung zu brin-
gen. Zwar sollte derjenige, der Nichts liefert, deshalb nicht
»gebihrend angesehen“ werden, aber er erhielt kein Prémium,
aus denen zum gréssten Theil eben die Besoldung bestand.
Nach Hirt’s Vorschlage sollte nimlich jedes ordentliche Mitglied
ein Fixum von 200 Thirn. und 500 Thir. fiir ein zu lieferndes,
fertiges und des Meisters wirdig befundenes Kunstwerk, was
zur Disposition des Protektors bleibt, bekommen. Hier war
aber der Senat wieder abweichender Meinung und stimmte erst
bei, als Hirt das Fixum ebenfalls von 500 Thirn. proponirte,
so dass jetzt jeder Akademiker auf 1000 Thir. zu stehen kam.
Dahingegen glaubte man den Kunstverwandten nur 200 Thlr.
Fixum bewilligen zu dirfen, ohne sie dabei von der Verpflich-
tung zu entbinden, jahrlich cin Produkt zur 6ffentlichen Aus-
stellung zu bringen.

Die vorletzte Sitzung war cer Berathung gewidmet, ob
and in wie weit die Tonkunst, die Schauspielkunst und die hé-
here Tanzkunst der Akademie angehéren kénnten. Hirt Ме! dies
fiir ein schwer zu lésendes Problem, und zwar, weil nach seiner
Ansicht das Wesen dieser Kiinste von andern Wissenschaften
und Kiinsten so weit ablige, dass kaum abzusehen ware, wel-
cher Vortheil sich aus ihrer Verbindung ergeben kénnte. Gleich-
wohl hielt er die Theorie jener Kunstfacher fir zulassig bei
der Akademie und beantragte daher ein oder auch zwei Mil-
glieder, welche gleich den wissenschafllichen Mitgliedern Vor-
lesungen halten, gleich diesen eine Pension von 500. Thirn. ge-
niessen und jaihrliche Uebersichten von den Fortschritten dieser
Kiinste geben sollten.

Zu dieser Conferenz war Zelter geladen, der sein Votum
zu Protekoll gab. Dasselbe enthalt eine Klage tiber den Ver-
fall der Tonkunst und des Theaters. Die Styllosigkeit, welche
Aesthetiker mit dem Ehrennamen Romantik belegten, die Nach-
ahmungssucht des Franzésischen galten ihm als Ursachen des
Hinsterbens der Musik. Unter solchen Umstanden fand er es
billig und schén, der Musik einen Ort offen zu lassen, wohin
sich die ehrwiirdigen Reste ihres ehemaligen Glanzes auf bes-
sere Zeiten gleichsam deponiren liessen. Deshalb stimmt er fiir
die Hirl’schen Vorschiige. (Dass Beethoven damals 39 Jahre
alt und mit ihm eine neue Aera der Musik im Aufblithen be-
griffen war, wurde bei alledem freilich nicht erwahnt. Die
Klage itber das Hinsterben der Musik galt, wie tausendfaltig in
ihnlichen Fallen, dem Untergange des Alten.) — (Forts. folet.)
	Gemadlde der altniederlandischen Schule in England.
Von G. F. Waagen.
	Wahrend eines Aufenthalts in England im Sommer des vo-
rigen Jahres ist es mir gelungen, den Thatbestand jener Schule
wieder um Einiges zu vermehren. Mit Ausnahme des. ersten,
sind die nachfolgend beschriebenen Bilder meines Wissens bis-
her noch nieht zu einer allgemeineren Kenntniss gelangt.

Jan van Eyck. ,,Die Einweihung des Thomas Becket
zum Erzbischof von Canterbury“ zu Chatsworth, dem Landsilze
des Herzogs von Devonshire. Obgleich ich dieses Werk schon
friiher ausfihrlich besprochen ), sehe ich mich bei der Wich-
tigkeit dieses Denkmals, welches erst spater so aufgehangen
worden ist, dass man es ganz in der Nahe betrachten kann,
veranlasst, Einiges nachzutragen. Ich bemerke daher zuvér-
	{) Kunstwerke und Kunstler in England. Th. If. S. 43011.