den behabigen hollandischen Physiognomien hervortreten sehen.
Wirklich ein Kopf von wahrhaft kiinstlerischem Interesse; wie
sind die Lichtmassen zusammengehalten, mit welcher Leichtig-
keit ist das Haar behandelt, dann in der Gewandung, wie iiberall,
Nichts Kleinliches und Minutidses. Die treffliche Copie ist aus
der Holzschneide-Anstalt des Hrn. E. Kretschmar in Leipzig
und zwar nach dem von Hrn. Kunsthandler Hermann Weber in
Bonn an den Herausgeber und Verleger geliehenen Originalblatte.
Das B nach dem Fecit giebt unsern Forschern Raum zu Er-
klarungsversuchen. Der Herausgeber stellt folgende Conjecturen
nebeneinander: Broeder (Minnebroeder), denn der Kinstler
trat in spaterer Zeit in einen geistlichen Orden zu Brabant;
Brabantiae; Bruxellae; Broeders, was sich, zugleich mit
den verschlungenen Anfangsbuchstaben des Namens, auf ihn und
seinen Bruder Jacob beziehen kénnte. ’

Die zweite Tafel enthalt die ,Glorifikation von Goltes
Sohn* von Michael Wohlgemuth. Dieses Blatt ist aus dem
»Schatzbehalter oder Schrein der waren Reichthiimer des Hails
und der ewigen Seligkeit. Nirnberg, Ant. Koberger, 1491 in
Fol.“ Mit Recht nennt W. dieses Buch zugleich einen Schatz-
behalter reicher Compositionen und geistvoller Schnitte, denen
man die Vorgangerschaft von den Arbeiten Diirer’s ansieht. In
der That ist dieses Blatt vorziiglich geeignet, daran das ge-
fesselte Vermégen zu studiren, das nachher in Meister Albrecht
zur freien Entfaltung kam. Die Befangenheit in der Formgebung
ringt mit dem geistigen Wollen. Wie Krystalle liegen die Ge-
wandfalten, zum Theil in wunderlichen Figuren, gehauft da, scharf
und eckig, wie mit dem Lineal gezogen, Krystalle, welche Ge-
fahl fir Natur und Leben erst in Fluss zu bringen hatte. Mangel
an Technik halt sie wohl mit in ihrer Starrheit; sie zieht das
Umschneiden grader Linien vor, sie zeigt nur an wenigen Stellen
die mithsamere Kreuzschraffirung, die Direr nachher zu solcher
Vollendung gebracht hat, sowohl in einzelnen Blattern der klei-
nen Holzschnittpassion, wie in den meisten zum Leben der Maria
z. B. der Himmelfahrt, ganz besonders aber in dem grossen
Blaite der heil. Dreieinigkeit (Christus im Schoosse von Gott
Vater, dariiber die Taube) vom Jahre 1511. — Die Copie ist
aus. der Anslalt des Hrn. Flegel in Leipzig.

Die dritte Tafel zeigt jenes merkwiirdige kleine Blatt von
Rembrandt, welches unter dem Namen: , der Philosoph mit
der Sanduhr* zu den verschiedensten Ansichten nicht bloss tiber
seine Erzeugungsart sondern auch tiber seinen Urheber Anlass
gegeben hat, indem Hinige es nicht fiir einen Holzschnitt, An-
dere Livens fiir den Verfertiger halten. Wir miissen uns der
Ansicht Weigels anschliessen, der es fiir einen Holzschnitt von
Rembrandt erklart und es nach einem ersten, vielleicht einzigen,
Abdrucke auf chin. Papier aus der beriihmten Sammlung des
Baron Verstolk de Soelen nachbilden liess. Allerdings hat der
meisterhafte Schnitt in seiner Zeichnung etwas Freies, genial
Hingeworfenes, das stark an die Radirnadel erinnert, eine ge-
nauere Betrachtung aber zeigt, besonders in dem Aermel des
Gewandes und dem Bart dic Anwendung des Messers. Jeden-
falls ist die Mittheilung dieses Blaltes ein héchst glicklicher
Gedanke des Herausgebers.

Das vierte Blatt. Die ,Firbitte* von Urs. Graf. Oben
links im Bilde thront Gott Vater mit Schwerdt und Apfel in den
Handen. Vor ihm schweben in Wolken und in knieender Stel-
lung die Mutter Christi und ihr Sohn, welche hinter sich Schaaren
von Engeln haben. Sie scheinen Firbitte zu leisten fir einen
Mann, welcher unten auf dem Bilde mit bittend erhobenen Handen
in einer Landschaft kniet. Diese zeigt in der Ferne Hauser,
bergige Ufer, eine mit Schiffen beleble Wasserfliche und rechts
im Vordergrunde ein Grab mit einem Denkstein. Das Blatt
ist sehr interessant, als Beleg fiir gewisse Uebergangsstufen;
	merkwurdig ist darin das Streben nach Individualisirung in den
Koépfen, welches freilich zunachst noch der Idealitat enthehrt,
aber doch schon in den einzelnen Figuren mit bewunderungs-
wtirdiger Pragnanz zum Vorschein kommt. Herr Prof. v. Hefner
besitzt das Originalblatt und hat es dem Herausgeber zur Nach-
bildung geliehen. — Die beiden zuletzt erwahnten Blatter sind
in der Anstalt des Hrn. Hugo Birkner in Dresden ausgefiihrt
worden.

Das letzte Bild, die von Bartsch unter No. 13 des Werkes
von Hans Burgkmaift beschriebene Madonna des Meisters,
hat der Herausgeber wohl nur der italienischen Anklange wegen
gewihlt, welche die Darstellung unverkennbar blicken lasst,
besonders was die Maria selber anbetrifft, in dem Fall des
Haares, in der Gewandung und der Bewegung der linken Hand.
Sonst miissen wir dies Blatt mehr zu den interessanten als zu
den durch Anmuth anziehenden rechnen. Der Christusknabe, der
dem Meister Hans bekanntlich tiberall nicht gelang, verlaugnet
auch hier seine Abkunft nicht, indem er von besonderer Hass-
lichkeit ist. So miissen wir uns in Bezug auf dieses Blatt zu
denen stellen, welche Hrn. W. seine schwere Aufgabe, es Allen
recht zu machen, noch mehr erschweren, bekennen aber zu-
gleich, dass-wir in der Auswahl alles Uebrigen einen so rei-
chen Ersatz finden, dass wir gerade dieses Heft — wie auch
das Holbein’sche — fiir einen héchst angenehmen Besitz achten
und mit Spannung der Fortsetzung des ganzen Unternehmens
enigegensehen, dem wir recht viele Freunde wiinschen. — Wir
vergassen zu sagen, dass die Copie des letztgenannten Bildes
aus dem Institute des Hrn. Flege! in Leipzig hervorgegangen
ist. — Der Herausgeber scheint die freundliche Absicht zu ha-
ben, den Kreis seiner ihm naher stehenden Freunde, zumeist
	‘рекапще Кип$Игеипае, durch Zueignung der einzelnen Hefte
	zu erfreuen. So ist die erste Mappe seinem Bruder Theodor
Oswald, die zweite dem Hrn. Borner in Niirnberg gewid-
met, w&hrend diese Lieferung den Namen unseres Hrn. J. D.
Passavant an der Spitze tragt. Fr. Eggers.
	Zeituns.
	у. Berlin, im Juli. In No. 5 unseres Blattes erwahnten
wir bei der Besprechung der enkaustischen Malerei auf Lava
einer Bestellung des Hrn. Rittmeisters v. Jena auf Weitze, sein
Familienwappen in dieser Technik herzustellen. Wir freuen uns,
die treffliche Vollendung dieser Arbeit berichten zu kénnen,
und unsere Erwartungen von der Leistung des Hrn. Mertins
bestatigt, ja tibertroffen zu sehn. Die Farbenlehre der Heraldik
spielt dem kiinstlerischen Gewissen oft so arge Streiche, dass
es hier doppelt erfreulich ist, beide in so gutem Einverstand-
niss zu sehen. Hr. Mertins hat Fleiss und Liebe nicht gespart,
die Téne klar gegen einander zu stimmen, das lebhafie Gold
mit kraftigen Schraffirungen in Schwarz zu dampfen, und Roth
und Blau leuchten zu Jassen, ohne dass es gegen einander schreit.
Auf weissem Grund hebt sich das zierlich geschmtickte Wappen
rein hervor, von zwei Figuren mit Lanzen in den Handen ge-
halten, einem Ritter und einer gewappneten Jungfrau, letztere
von Hrn. Becker, einem Schiiler des Hrn. Prof. v. Kléber,
trefflich gemalt und so lebendig in Linien und Haltung, als es
ihr heraldisches Amt irgend zuliess. Die Behandlung der Far-
ben ist fast noch gelungener, als bei den friiheren Versuchen,
der Grain eben und kérnig, die Platte ohne alle Risse und
Fehler, und das Ganze wird ohne Zweifel dazu dienen, dem
neuen Kunstzweig auch in dieser Art der Anwendung neue
Freunde zu verschaffen. Die Witterung, die sonst freihingen-
den Gemalden so gefahrlich ist, thut dieser Technik sogar den