Gleichzeilig, aber besser durchgefiihrt, ist ein Altarblatt,
den Englischen Gruss darstellend, fiir die Briiderschaft der
Schuhmacher zu Udine gemalt, gegenwartig in der Sammlung
der Venetianischen Akademie aufgestellt. Maria kniet am Bet-
pulte unter einem grossen, reich mit Gold verzierten, zeltarti-
gen Vorhange und der Engel naht sich ihr in lebhafter Bewegung,
so dass sein Gewand wellenhaft im Winde flattert. Im Hinter-
grund eine Balustrade und Landschaft. Die Farbung des Bildes
ist ruhig, doch etwas trtibe. Vorziglich interessant ist dasselbe
durch die Bezeichnung: Pelegrinus faciebat 1519, zugieich mit
dem Monogramme. Eine Inschrift nennt auch die Besteller.

Auf die Frescen von S, Antonio zuriickkommend, so schei-
nen diese, um gegenwirtige Zeit wieder aufgenommen, mit der
Vorstellung der-Kreuzigung im der Apsis begonnen zu haben,
welche, da die Kirche in den steilen Abhang eines Higels
hinein gebaut ist, durch eingedrungene Feuchtigkeit schon sehr
zerstért ist und baldigem Verderben entgegengeht. Die Seiten-
winde des Chors sind besser erhalten und zeigen in durch Saéu-
len abgesonderten Feldern Christi Fusswaschung und Hollenfabrt
nebst drei Vorstellungen aus dem Leben des h. Antonius, nam-
lich eins seiner Wunderwerke, dessen Versuchung und Hingang,
welche bei der Uebereinstimmung mit den Orgelthiiren in die-
selbe Epoche zu setzen sind.

Im Langhaus der Kirche ist nur die Wand des Triumph-
bogens und ein kleiner Theil der anstossenden Seiten bemallt.
In Einfassungen von Saulenstellungen, verziert mit Reliefs a
chiaroscuro und Slatuen, sind Vorstellungen der Verktindigung
der Geburt Christi, der Epiphanias und Verehrung des Titular-
heiligenangebracht, von einzelnstehenden Figuren der Apostel
und Heiligen unterbrochen, wodurch das Ganze im Ueberblick
	еше schone und reiche Dekoration bildet.
	Martino da Udine, der Meister mit dem Monogramm
		Aus ungedruckten Beitragen zur Kunstgeschichte von
и. Hayzen.
	(Fortsetzung.)
	Wie die Miniaturarbeiten solcher Kiinstler, welche gewohnt
waren, sich selbstindig frei in Oel und Frescomalerei zu @Ъеп,
diejenigen der ausschliesslich auf Miniatur beschrankten Maler
gemeiniglich an ktinstlerischem Gehalt weit tibertreffen, so neh-
men auch jene Werke unter den vorhandenen eine sehr emi-
nente Stelle ein. Ausgezeichnet, sowohl durch malerische Auf~
fassung, als durch ein harmonisches Colorit und vollendete Aus-
fiihrung zeigt sich in ihnen in der Composition eine grosse
Uebereinstimmung mit Pellegrino’s Kupferstichen. Die Figuren
erschcinen darin noch sehr Bellinisch mit feingefalteter, obwohl
nicht mehr strenge gebrochener Gewandung, in Umgebung pomp-
hafter Architektur mit Sdéulenstellungen, an denen hiaufig Reliefs
angebracht sind, oder reicher Landschaft, mit abentheuerlich
gethirmten Felsen und Gewassern, von Landzungen durch-
schnitten, deren Griin gewdéhnlich durch einzelne Baume herbst-
licher Férbung unterbrochen wird. Grandiose Gebirgsfernen,
Spiegelungen und eigenthiimliche Wolkeneffekte erhéhen den
Reiz dieser Landschaften, in denen sich ein feines und sehr
ausgebildetes Naturgefiihl kundgiebt. Die Randleisten, in soweit
sie von derselben Hand sind, enthalten seltsam gestaltete Chi-
miaren in Regenbogenfarben schillernd, Cameen mit Képfen, Va-
sen und Blumen, vornehmlich Erbsbliithen, oftmals auf sehr un~
gewohnlichen schwarzen, goldschraffirten Griinden, wie auch in
dem prachtigen Manuscript einer Bibel vorkommt, von Taddeo
di Crivelli und Francho da Russi um 1461 fiir Herzog Borso
miniirt, auf dieselbe Weise an die Modenesische Bibliothek ge-
kommen, welche Pellegrino. benutzt zu haben scheint. Die vor-
treffliche Ausfiihrung dieser Werke ware hinreichend, die Gunst
und Werthschitzung zu rechtfertigen, welche P. am Hofe zu
Ferrara genoss, gesetzt er habe auch nichts anderes unter Han—
den gehabt; allein da Vasari anfiihrt, er habe sich der Geneigt-
heit der Herzige (soll wohl heissen Ercole sowohl als Alfons)
zu erfreuen gehabt, so darf man annehmen, dass ihm auch son-
stige Arbeiten tibertragen worden seien, wie denn bei dem Of-
teren Aufenthalt Ercole’s in Venedig sich leicht ein Verhaltniss
angekntipft haben kann.

Im Jahre 1519 finden wir unsern Kinstler wieder in Udine
anwesend; laut Contracts von diesem Jahre hat er zwei Dop-
pelthtiren fiir die grosse Orgel der Domkirche tibernommen, welche
noch existiren, aber im Communal-Palaste aufbewahrt werden.
Ihr Gegenstand ist: St. Hermagoras, Bischof und Schutzpatron
der Stadt, erhalt vom Apostel Petrus die Weihe, nebst den vier
Vatern der Kirche.

In diesem Werke, womit des Meisters zweite Manier be-
ginnt, sehen wir ihn schon so balde nach Giov. Bellino’s Tode
von dessen Schule abgefallen und die Bahn betreten, welche
Giorgione vor Kurzem durch Erschaffung einer freieren und
grossartigeren Manier erdéffnet hatte; der Styl desselben neigt
sich bereits zum Extreme und eine gewisse Leere und Form-
losigkeit lassen errathen, dass es dem Kinstler schwer, gewor-
den, die Raume der colossal gehaltenen Figuren auszufiillen.
Uebrigens sind diese, wie es scheint, in Wasserfarbe ausge~
fihrten Gemalde, jetzt sehr verblichen und zeigen nur einen
Schatten der Pracht des Goldes und Ultamarin’s, womit sic ur-
spriinglich ausgestattet waren.
	Dieses bedeutende Werk soli, zufolge einer vormals daran
befindlichen, seit langerer Zeit verschwundenen Inschrift, deren
eine von Renaldis angefiihrte, handschriftliche Chronik erwahnt,
i. J. 1522 beendigt worden sein und Pellegrino daftir 1000 Scudi
erhalten haben, eine Summe, die fir jene Zeit bedeutend ge-
nug ist. Wir tibersehn in demselben eine volle finf und zwan-
zigjahrige Laufbahn, in der Manier des Quattro-Cento begon-
nen und in der Modernen beschlossen, wo bei ganzlicher Um-
gestaltung Nichts beibehalten ist, als eine Vorliebe fir cigen-
thiimliche, architektonische und ornamentale Beiwerke. Anstall
urspriinglicher wirdiger Ruhe und ernst symmetrischer Haltung,
waliet zuletzt Handlung und Bewegung vor, statt sorgfaltigen
Fleisses der Ausfihruug, ein freier Vortrag mit Bravour, fast
an Manier streifend. Das Colorit ist in den letzten Abtheilungen
kraftig und warm. Vortrefflich sind zumal mehrere mannliche
Képfe in der Vorstellung des von den Mitgliedern der Briider-
schaft yerehrten Schutzpatrons, sprechende Bildnisse, eines Gior-.-
gione wiirdig. Dass tichtige Schiller mitgewirkt haben, ist an
der Verschiedenheit der Ausfihrung nicht zu verkennen.

Diese Umwandlung scheint von der Riickreise aus Ferrara
zu datiren, auf welcher P. Venedig besucht haben, und den
ausserordentlichen Umschwung der Kunst, der nach seiner Nie-
derlassung in Udine daselbst stattgefunden, mit eigenen Augen
geschaut haben wird. Giov. Bellino konnte durch wohlerwor-
benes Ansehn und eine hervorragende Personlichkeit, welche
auch Diirer respectirte, seine sinkende Schule eine Zeitlang auf-
recht erhalten, allein mit seinem Tode machte sich die neue
Richtung unaufhaltsam ‘geltend; Lumina wie Giorgione und Titian
zogen alle Talente in ihren Wirkungskreis, die jiingere Kinst-
lergeneration erkannte auch schnell den praktischen Vortheil,
dass in der neuen, freieren und expediteren Weise dem schaf-
fenden Genius eine weitere Bahn erdffnet war, als in der be-
stehend herkémmlichen. Ueber diese, eigentlich durch Giorgione