bewirkte merkwirdige Veranderung, denn Titian trat nur in des-
sen Fussstapfen, ruht noch.ein Dunkel; wahrend wir in der Re-
gel alle Umwalzungen der Kunst allmahlig vorbereitet finden,
gewahren wir hier einen plétzlichen Sprung, woriiber weder
die Geschichte, noch die Monumente Aufklarung geben.

Pellegrino’s spatestes beglaubigtes Werk ist ein grosses Al-
tarbild, Triptychon, in der Kirche $. Маша de batiuti zu Civi-
dale, iber welches Maniago eine Quittung vom Jahre 1529 bei-
bringt. Man erblickt-in demselben die Multer Gottes auf er-
hédhtem Sessel unter cinem zerfallenen Gewélbe, umgeben von
den vier heiligen Jungfrauen von Aquileja. St. Donatus und Jo-
hannes Bapt. stehn am Fusse des Thrones, auf. dessen Staffel
sitzend ein kleiner Engel die Laute schligt. Das Tympanum,
worin Gott Vater segnend erschien, ist abhanden gekommen.
In dem Seitenbildern sind St. Michael-und Sebastian dargestellt,
die Krénungen enthalten Engel.

Unter P.’s Oelgemalden ist dieses das Hauptbild; in den
weiblichen Kopfen herrscht viel Anmuth, die Férbung mit schwarz~
lichen Schatten erscheint etwas kalt, die Pinselfihrung ist sehr
verschmolzen.

Seit dieser Zeit existirt von seinen Leistungen keine wei-
tere Kunde; doch ist gewiss, dass er im Jahre 1535 sich an-
noch zu Udine aufhielt; sei es aber, dass er sich von der Kunst
	zuruckgezogen, oder dass spatere Werke verloren gingen, es
	findet sich sonst nichts in jener Gegend, das ihm zugeschrieben
werden kénnte. Sein Todesjahr liegt zwischen 1545 und 48
inne, bei dessen Erwahnung ich mir erlaube, auf sein Geburts-
jahr zuriick zu kommen. Gegen Maniago’s Annahme, dass Pelle-
grino um 1450 zur Welt gekommen, lasst sich Mehreres cinwen-
den. Betrachten wir namlich die Bittschrift von 1495, worin P. die
Thorwirtelstelle beansprucht, und sehn darin die an seine Erzie-
hung und kiinstlerische Ausbildung verwandten Kosten als Haupt-
bewegegriinde hervorgehoben, so glauben wir die Sprache eines
soeben seiner Lehrzeit entlassenen Jiinglings zu vernehmen, nicht
aber die eines geseizten Mannes von 45 Jahren ). Im Referat
aber diese Biltschrift wird unser Kiinstler Magister Peregrinus,
probus juvenis, genannt; sollte etwa Maniago, sich strenge an
den Ansdruck haltend, die dusserste Granze der juventas, wel-
che die Alten in das 45. Jahr setaten, angenommen haben, um
auf diese Weise bis 1450 zuriick zu rechnen? Das hiesse an-
nehmen, P. hatte die Decke zu S. Antonio, sein erstes bekann-
tes Werk, und dasjenige, wodurch er sich einen Namen erwor-
ben, erst im 45. Jahre ausgefiihrt, den Englischen Gruss im 69.,
die Madonna von Cividale gar erst im 79., welches unmdglich
scheint, denn in so vorgertickten Lebensjahren wechselt man
seinen Styl nicht mehr. Conjectur gegen Conjectur gesetzt,
wird man der Wahrscheinlichkeit néher kommen, wenn man,
alle Umstinde erwagend, sein Geburtsjahr zwischen 1470 und
80 verlegt.

Die Zahl der Schiiler Pellegrino’s ist nicht unbedeutend ;
am bekannlesten unter ihnen ist J. A. Licinio, gewéhnlich il
Pordenone genannt”). Er wird schon 1504 als Maler seiner
Vaterstadt angefihrl; dass er Pellegrino’s Schiler gewesen,
wird bezweifelt, allein die grosse Verwandtschaft zwischen sei-
nen Frescobildern der Epiphanias von 1520 im Dom zu Tre-
viso und den spateren Wandmalereien in S. Daniele spricht da-
fiir und lasst sogar glauben, er habe an leizterem miigearbeitet.
	1) —in recompensa de tante fatiche, e spese haute in la sua риегида,
adolescentia, et soventit fin nel presente tempo in voler acquistar qualche
laude per ben et honor suo, et di questa terra, et per conseguensa de tutta
la patria ete. Maniago, Storia. p. 291. Doc. ХШ.

2) Auch dieser erScheint unter wechselnden Namen; je nach Familie

oder Herkunft nennt er sich: Licinio, de Sacchis, Regillo, Corticelli, auch
Cuticelli oder Pordenone.
	Hin schoner, jugendlich mannlicher Kopf, mit dichtem Barte
	und grossem Barett, in obenerwahnter Verehrung des В. Ап-
tonius, der fiir das Bildniss Pellegrino’s ausgegeben wird, hat
eine grosse Aehnlichkeit mit Pordenone’s bei Ridolfi. Es war
ein sehr produktiver Kiinstler, ganz Friuli ist voll von seinen
Werken, die man jedoch von grosser Flichtigkeit nicht frei-
sprechen kann, so z. B. die Wandgemalde im Dom zu Cremona,
welche bereils sehr manierirt ausfallen.

Bastianello Florigerio erscheint in den beiden Altarbildern,
welche die Sammlung der Venezianischen Academie von ihm
besitzt, noch als ein matter Nachfolger Pellegrino’s letzter Ma-
nier, hat jedoch spater sich Pordenone’s Styl angeeignet, daher
er wahrscheinlich viel jinger ist, als dieser. Sein grosses Altar-
stick des h. Georg, in der Kirche gleiches Namens zu Udine,
obwohl etwas derb und iiberladen, ist dennoch ein ausgezeich-
netes Werk von grosser Kraft und Wirkung.

Von Luca Monverde sieht man zu Udine in det Kirche der
Madonna delle grazie ein Altarbild von 1522: Maria thronend,
von den Heiligen Rochus, Sebastian, Gervasius und Protasius
verehrt, letztere drei in glanzenden Riistungen dargestellt, als
das einzige von ihm bekannte Werk, so vorziiglich componirt
und giorgionesk in Firbung und Effect, dass sein friher Tod
sehr zu beklagen ist. Auch er scheint in 8. Antonio mitgear-
beitet zu haben.

Andere iibergehend, welche theils von minderer Bedeutung
sind, theils keine Werke hinterlassen haben, ist zu bemerken:
dass Girolamo da Udine, der zu Pellegrino’s Schiilern gezahlt
wird, wahrscheinlich nur sein Mitschiler unter Giov. Bellino
gewesen, wenn nicht bei Cima da Conegliano, mit dessen Styl
das einzige von ihm bekannte Werk, eine Altartafel im Hos-
pital zu Udine, die Krénung der Maria, sehr ibereinstimmt.

Dass endlich auch Giorgione, wie behauptet worden, aus
dieser Schule. hervorgegangen, ist schon deshalb nicht glaub-
lich, weil dieser Kinstler, als er um 1506, wie angenommen
wird, in Venedig selbstindig auftrat, seine neue Manier bereits
formirt hatte, wahrend Pellegrino dieselbe erst gegen 1519 an-
	nahm; wahrscheinlich waren Uberdies beide von gleichem Alter.
(Fortsetzung folgt.)
	Qeunstliteratur.
	Manuel de l amateur d’estampes ete. par Mr. Ch.
le Blanc. 2° et 3m¢ Livraision. Paris 1851, 1853.
	(Vergl. D. Kunstblatt Jahrg. 1861. &. 222.)
	Die Empfehlung, zu welcher wir uns bei dem Erscheinen
der ersten Lieferung dieses Werkes veranlasst sahen, hat sich
durch die 2. und 3. Lieferung desselben nicht nur gerechifer-
tigt, sondern wir halten es auch fiir eine Pflicht, diejenigen
Kunstfreunde, welche es noch nicht besitzen, wiederholt auf
	dasselbe aufmerksam zu machen.

Die vorliegenden heiden Lieferungen, deren Erscheinen sich
leider durch unvorhergesehene Umstinde verzogert hat, geben
auf’s Neue den tiberzeugendsten Beweis, mit welchem Fleisse
und mit welcher Umsicht der Verfasser die reiche Quelle der
Kupferstichsammlung der K. Bibliothek in Paris, sowie dortige
Privat-Sammlungen benutzt, um sein Werk so vollstandig und
niitzlich, als méglich, zu machen. Daher finden wir auch die
	Arbeiten mehrerer dllerer Meister in demselben zahlreicher vor-
gefiihrt, als dies frihere Calcographen zu thun im Stande ge-
wesen und die Werke der spadteren Kiinstler in einer Vollstén-
digkeit angegeben, die eine Liicke schwerlich darbieten mochte.

Eben diese Vollstindigkeit veranlasst uns aber hier einen
Wunsch auszusprechen, der mit dem praktischen Gebrauche des