Vischer, der schlichte ,Rothgiesser“, der gar bieder ищет der wunderlichen Kopfbedeckung hervorblickt. Eine reiche und mannichfaltige Gruppe bilden die Maler dieser Seite. Zwei bedeutende Gestalten, welche zusammen- stehend einen Abschnilt in der Reihe markiren, fesseln sogleich den Blick. Der mit dem dunklen Kopfe, dem kihnen Profil, der stolzen Haltung, ist der farbenprachtige Giorgione. Sein Bild scheint einem seiner eignen Gemalde entnommen zu sein, so wunderbar gesaltigt sind die Téne des Gewandes von dun- kelrothem Sammt, das in prichtigem Wurf die energisch kihne Gestalt umgiebt. Neben ihm in milder Klarheit der altere Mei- ster Giovanni Bellini, ernst und fest geradeaus blickend. Von der anderen Seile schreitet ein hoher, in lange dunkel- rothe Robe gehiillter Greis auf sie zu; im machtigen Blitze des Auges, das Jiinglingsgluthen unter dem Schnee der buschigen Brauen hervorschiesst, erkennen wir den Grossmeister Tizian. Wie wunderbar hat der Kinstler diese drei so nah verwandten und doch so verschiedenen Farbenbeherrscher in ihrem eigen- sten Wesen zu charakterisiren gewusst, nicht anders als habe Jeder ihm zu seinem Portrait die eigne Palette und Pinselfih- rung geliehen! Und doch erkennt man zugleich den Grundton, der den Koryphaen der altvenctianischen Schule gemeinsam ist. Zwischen ihnen erscheinen noch mehrere Meister andrer Zeiten und Schulen, die aufmerksamen Blicks die firstliche Hoheit Ti- zians messen. Da sitzt bequem vorgebeugt der lebenvolle, far- benfrohe Rubens in reicher, vornehmer Tracht; neben ihm zeigt sich das geistvoll feine Gesicht seines grossen Schilers van Dyk, hinter welchem der blasse, leidenschaftliche Kopf des Velasquez sichtbar wird. Mehr vorn, an die Bristung gelehnt, fixirt Rembrandt den grossen Venetianer. Von sei- nem schwarzen, pelzverbramten Mantel hebt sich das kecke, wie es mir scheint, etwas zu verlebt, zerfahren aufgefasste Anilitz mit jener tiefklaren, warmen Transparenz der Schatten- tone, in der Keiner es ihm gleichgethan. Neben Tizian sitat ferner in wunderlichem Kopfputz und goldbrokatnem Gewande J. van Eyck und slaunt mit freudiger Ehrerbietung zu dem Meister auf, der die epochemachende Erfindung des Niederlan- ders in freiester, grossartigster Weise der Schénheit dienstbar gemacht hat. Die Vermittlung zwischen dem Orte der Entste- hung und dem der héchsten Ausbildung bezeichnet Antonello da Messina, dessen jugendlich schlanke, scharf modellirte Gestalt sich giinstig hervorhebt. Endlich schliesst nach dieser Seite der glinzende Paul Veronese, im Gesprache mit dem griéssten Poeten der Farbe, Correggio, die Reihe, wahrend Murillo, dessen blasser, acht spanischer Kopf aus dem Hin- tergrund auftaucht, gleichsam die Mystik der Farbe vertrilt. Auf der andern Seite treffen wir zuerst die Gruppe der Architeklen. Sie sind in ihrem ausseren Ercheinen ebenso ver- schieden, wie die Prinzipien, nach denen sie ihre Kunst getbt haben. Erinnert nicht Erwin’s von Steinbach schlichte Gestalt an die selbstvergessende Begeisterung jener Meister, die in den luftigen Thurmpyramiden der gothischen Dome nach dem jenseitigen Ziel ihrer gliubigen Sehnsucht hinwiesen! Und lesen wir nicht zugleich in dem klug verstaindigen Ausdruck, mit dem er des neben ihm sitzenden Sansovino Behauplungen zu zergliedern scheint, jene scharfsinnige Combination ила Ве- rechnung, vermége deren allein das Wunder einer gothischen Kathedrale sich verwirklichen konnte! Wie anders sind jene iibrigen Meister, der sinnlich prachlige Sansovino, dann Brunelleschi mit den scharf markirten Zigen, Palladio, der reich und kostbar gekleidete und der stattliche Bramante mit dem dominirenden Kopfe. Sie alle, die Vertreter der Renais- sance, haben etwas von dem glanzend Beweglichen, prachtvoll Imposanten ihrer Bauwerke, die anstatt, wie die gothische Ar- mosphare entriickt, in einem freieren, reineren Luftrevier zu athmen, so dass sie durch ein minder dichtes Medium ihr \Уе- sen ungetribter, ureigner aussprechen, als sei hier eine Fest- versammlung auf des Olympos heitren Héhen gelagert. Ginstig fir die dussere Anordnung erweisen sich auch die Trachten, die, so verschieden unter einander, dennoch ohne Ausnahme von hohem malerischem Reiz sind, von den ritlerlichen und monchischen Gewdndern des frihen Mittelalters bis zu dem rei~ chen hispanisirenden Kostiim der spitesten Nachziigler: denn kurz vor der Zopf- und Haarbeutel-Periode bricht der Reigen der Darzustellenden ab. Soviel erkennt man auf den ersten Blick. Jé mehr man aber forschend und priifend sich ins Einzelne versenkt, desto hdher steigt die Bewunderung im Schauen. Da ist ein Heraus- arbeiten der Individualitaten, das bei der Kleinheit. der nur gegen 8 Zoll grossen Figuren tberrascht; ein freies Reproduciren der Charaktere, welchem nicht blos eine treue Kopie vorhandener Poriraits, sondern ein sorgfaltiges Studium der Werke jedes Einzelnen zum Grunde liegt; cin Reichthum und eine Feinheit der geistigen Beziehungen in der Gruppirung der besondern Kreise, sowic im kiinstlerischen Aufbau des ganzen Werkes, dass man von der treffenden Scharfe, der bezeichnenden Prag- nanz, der eminenten Sicherheit, mit einem Worte von der ge- nialen Virtuositét der Darstellung betroffen wird. Welche Reihe der bedeutendsten Individuen, der ausgepragtesten Charaktere, der interessantesten Kipfe fihrt uns das Bild vor! Und wie tief und erschépfend — in den meisten, ja in fast allen Fallen ~~ hat der Meister sie zu erfassen gewusst! Ja, nicht genug, die Helden der Kunstgeschichte in treuem Conlerfei hinzustelien, schildert er sie gleichsam mit ihren eignen Worten, d.h, mit ihrer eignen Vortragsweise in Farbe und Zeichnung, ohne je- doch dem allgemeinen Grundion seines Gemaldes dadurch Ein- trag zu thun. Wo aber selbst kein Portrait tiberliefert war, da wusste er das Wesen der betreffenden Persdnlichkeit aus ihren Werken so zu abstrahiren, dass man auszurufen sich ge- drungen fihlt: ,So und nicht anders muss der ausgeschen ha- ben“. Dabei herrscht in der Darstellung ein ruhig klarer, ein- fach epischer Ton, eine sichere Objektivitat, die wir um so héher zu schaizen haben bei einem Maler, den wir bei einer andern Gelegenheit in einseitigem Ausbeuten einer lyrischen Stimmung antrafen. Neben den allgemein malerischen Gesetzen der Gruppirung hat Delaroche auch noch eine Eintheilung nach Kunstrichtungen durchgefiihrt. Rechts yon der mitlleren Halle schliessen sich die Bildhauer an, links die Architekten. Die Maler nehmen so- dann beide Fligel ein, so zwar, dass neben den Bildhauern die Koloristen, neben den Architekten die mehr durch Composition und Zeichnung hervorragenden Meister ihre Stelle finden. Einen Commentar des ganzen Bildes zu geben, wiirde zu weit fiihren: ich begniige mich, Einzelnes herauszuheben. Unter den Bildhauern bemerken wir die Hauptgruppe dem Anscheine nach in lebhaftes Gesprach vertieft. Wohl mégen es Prinzipienfragen sein, die der alte wirdige Meister Giovanni Pisano, der Vertreter des germanischen Styls, mit den spi~ teren, einer freieren, lieblich bewegteren Richtung angehéren- den Meistern, Benedetto da Majano und Lucca della Robbia, auszufechten hat. Ernst und schweigend sleht Lo- renzo Ghiberti als Zuhérer; fihlt er sich doch fest und sicher, er der Schépfer der herrlichen Bronzethiren, von de- nen Michelangelo gesagt, dass sie wiirdig seien, die Pforten des Paradieses zu bilden. Seitwarts grollt, finster und miss- trauisch abgewand!, Benvenuto Cellini. Dort aber schaut liber die streitenden Italiener ein Achtdeutscher Kopf, der uns Allen wie ein liebes, treuherziges Willkommen anmuthet: P eter