ment der Ornamentik. Die auf diesem Wege an den Tag ge- legte Bescheidenheit des Baumeisters erreicht ihren Gipfel durch die Art und Weise, wie er mit seinem Werke vor der Malerei zuriickiritt, der er einen so grossen Raum angewiesen und eine so grosse Ausbreitung gestattet, dass seine Mauern nur als das Geriist dastehen, darauf die Gemilde zur Schau aus- gestellt sind. Ks ist das Gebaude ein ganz einfaches Rechteck von 101 F. Breite und 368 F. Linge. An der (schmalen) Ostseite schnei- det die Vorhalle, an der Westseite ein die Breite einnehmender Saal je ein Stick von diesem Rechteck ab. Der Rest ist durch zwei Innenmauern in drei Langentheile geschieden, davon der mittlere tiberhéht und vom Grund aus 90 F. hoch ist. Dieser ist im obern Stockwerk in fiinf grosse Sale abgetheilt; in gleich viele der schmalere und niedrigere gegen Siiden gelegene Theil, wahrend der an der Nordseite in vierzehn Cabinete getheilt ist. Simmtliche Sale, von durchaus wohlthuenden Héhen- und Wei- tenverhaltnissen, erhalten ihr Licht von oben, die Cabinete da- gegen durch Seitenfenster. Das Oberlicht ist inzwischen nicht in (iberstehende) Laternen gefasst, sondern dringt durch Glas- fenster, die in der Ebene des Daches liegen, und geben selbst an triben Tagen vollkommen gentigendes Licht. Der Ein- und Aufgang zur Sammlung ist an der QOstseite; ein Portal ist aus- serdem in der Mille der Siidseite. Zu ersterem fiihrt eine Dop- peltreppe, deren Gelinder von romanischen Zwergsaulen gebil- det wird. Zwei achteckige Pfeiler romanischer Form von ge- ringem Durchmesser mit aufgesetzten Rundbogen dreitheilen die Vorderseite der Halle in den Eingang und zwei gleichgrosse mit Briistung versehene Oeffnungen; eine ganz gleiche Anord- nung, unmittelbar dariiber, fast ohne Mauerfliche dazwischen, bildet eine offene Loggia, die die Riume der Sid- und der Nordseite verbindet, ohne von der Vorhalle oder der Treppe aus zuginglich zu sein. Aus der Vorhalle fihrt ein hohes, weilvortretendes Portal von grauem Stuckmarmor zu den Rau- men des Erdgeschosses; eine breite Doppelstiege aber zu dem obern Stockwerk und der Gemaldesammlung. Ehe wir inzwischen zu dieser aufsteigen, verlangt es die Ordnung, dass wir noch einen Blick werfen auf die KFreskobilder ubereinstimmen, als hier ganz besonders die Kunstihatigkeit des Kénigs Ludwig das Thema der Darstellung bildet und diese — seine Kiinstler mégen nun hoch oder niedrig stehen — ohne Vorgang in der Geschichte, der héchsten Bewunderung jetzt und in Zukunit wtirdig und gewiss ist. Da der Inhalt der Gemalde wenigstens theilweis in diesen Blattern besprochen worden, werde ich nicht auf ihre Einzeln- heiten eingehen, sondern nur den Gedanken und seine Haupt- gliederungen anzugeben versuchen, Das Thema bildet, wie ge- sagt, die Kunstthatigkeit des Kénigs Ludwig, und dem- gemass sehen wir an der Eingangseile die verschiedenen Kiinste allegorisch reprasenlirt, die Baukunst mit Bildnerei und Erz- giesserei, die Malerei mit Porzellan- und Glasmalerei. An der Stidseite ist sodann in sieben grossen Bildern des Kénigs und der Ktinstler Kunsteifer dargestellt; im vierten oder mittlern namlich der Konig als Sammler dlterer Werke der Bildnerei und Malerei, in den drei ersten aber drei verschiedene Vor- bereitungsstufen zu der nachfolgenden Thatigkeit. Im ersten wird von den Vertretern der neuen klassischen und der neuen romantischen Richtung der akademische Schlendrian bekampft; im zyeiten sieht man deutsche КапзПег sich den ersten Ein- dricken des rémischen Lebens hingeben; im dritten studiren sie nach Meisterwerken der antiken und miltelalterlichen Kunst. An dieser Stelle tritt schon die Einwirkung des Konigs sichtbar auf, indem er Einzelne aus diesem Kreis zur Ausfihrung seiner Plane berufen lasst. Das fiinfte Bild zeigt sodann die vom Kénig beschaftigten Architekten, das sechste die fiir ihn arbei- tenden Maler und das siebente die Bildhauer. An der West wand folgen drei Bilder mit Darstellungen aus den Werkstatten der Erzgiesser, Porzellanmaler und Glasmaler. An der Nord- wand sind noch zwei grosse Gemalde aus dem Minchner Kunst- leben: ein Kiinstlerfest und die Ueberreichung des Kiinstler- Albums an Konig Ludwig. Zwischen den Fenslern aber der- selben Wand stehen unter Genien, die Festons tragen, die iiber- lebensgrossen Gestalten von Thorwaldsen, Klenze, Cornelius, Ohlmiiller, Peter Hess, Gartner, Schnorr, Heinrich Hess, Rott- mann, Ziebland, Schwanthaler, Schorn, Kaulbach und Schraudolph. Die Gemaldesammlung der Neuen Pinakothek hat an ihrer Spitze im Eingangsaal das Bildniss des Kénigs Ludwig von W. v. Kaulbach. Der Konig im Hubertus - Ordenskleid bewegt sich vom Thron herab, an dessen Stufen vier Pagen knien und Schilde halten. Es ist ein Reprisentalionsbild, dessen Pathos an’s Theatralische streift; es ist aber von schéner Farbenwirkung und Modellirung. Im zweiten Saale wird die Hauptwand einggnommen durch ein immenses Bild der Siindfluth von C, Schorn. Der Kinstler, der seine Bildung halb unter Cornelius, halb in Paris gewonnen, ist vor der Vollendung des Bildes gestorben und der Kénig hat es unvollendet gelassen. Es ist ein Gemilde voll grosser, poelischer Gedanken und auf eine machlige Far- benwirkung berechnet. Letztere ware vielleicht erreicht wor- den, die ersteren aber entbehren des in der Kunst unerlassli- chen, verséhnenden Gegensatzes. Denn wer vermag den Anblick ginzlicher Entarlung und Verdorbenheit, der Herz- und Gott- losigkeit, deren Untergang hier in grellen Zigen geschildert wird, auszuhalten, wenn das Auge nicht auf einer Stelle aus- ruhen kann, an welcher das Gesetz und das Ebenbild Gottes festgehalten wird? Denn im Untergang allcin, der ja Gerechte und Ungerechte gleichinissig trifft, kann das versoéhnende Motiy nicht gefunden werden. Uebrigens ist die Anordnung ungeachtct der auf eine Bergspitze zusammengedrangten Menge klar, und die gleichmassig Alle durchdringende Todesangst auf das man- nichfalligste motivirt. 48 * an den Aussenseilen des Gebaudes, um so mehr, als der ihnen vorausgesagte baldige Untergang sich mit unzweideutigen Zei- chen bereits ankindiget. Sie wissen, welchen Widerspruch diese von W. v. Kaulbach entworfenen, von Nilson ausgefiihrten Gemilde hervorgerufen haben; vielleicht auch, dass ich zu den Gegnern derselben gehére. Die Gegner aber und der Urheber die- ser Bilder stimmen im Wesentlichen, namlich darin tiberein, dass damit, wenn nicht gerade eine Geringschdtzung, doch nichts weniger als eine Werthschalzung oder gar eine Verherrlichung der heutigen Kunst heabsichtigt oder gegeben sei. Ungeachtet seiner eignen ganz eminenten Gaben, fiir die in gewisser Be- ziehung die Kunstgeschichte aller Zeiten kein zweites Beispiel kennt, achtet Kaulbach das, was er gethan und was durch seine Zeit- und Kunstgenossen geschehen, gegentiber den Werken Alterer Zeiten, nicht der Rede, wenigstens nicht der Lobrede werth und hat demnach den Auftrag, dem er nicht ausweichen konnle, von der Jeichten Seite genommen, Spass gemacht und, soweit es zugelassen wurde, Spott getrieben. Wir, die wir der Kunst der Gegenwart — weder in Vergleich mit der altern, noch tberhaupt — cinen so kleinen Werth bei- legen kinnen, die wir vielmehr eines der herzerfreuendsten Zeugnisse der noch nicht erstorbenen schopferischen Krafte un- serer Nation und somit ein Slitick deutsche Geschichte darin erblicken, kénnen mit des Kiinstlers Auffassung um so weniger