Der Verkaul hatte also vielleicht um 1716  stattgefunden,
und die neue Sakristei war unter Pius VI. mit grossen
Kosten erbaut worden ). — Wie lange Wikar das Bild
besessen, ehe es an Giangiacomo kam, wissen wir nicht, da
wir kein Verzeichniss seiner lingst zerstreuten Sammlungen auf-
finden konnten.

Der Vergleich beider Werke fihrt noch zu folgenden Be-
merkungen. Dass die Gruppe des M.-Angelo tberhaupt grés-
Ser ist, als das Bild, bedarf keiner Erwahnung, allein das
Gréssenverhiltniss der beiden Figuren zu cinander ist bei bei-
den Werken verschieden. Der Christus der Marmorgruppe ist
im Verhaltniss zur Maria viel kleiner, wie im Bilde des Signo-
relli, Bei letzterem hat der Kopf des Christus, weil er ohne
Unterstiitzung ist, cine unmégliche Haltung. M.- Angelo liess
den Kopf, an dem ihm nach der Meinung der Kinstler der
Marmor elwas fehlte, richtiger hintibersinken und gab zugleich
dem Kérper eine etwas flachere Lage; allein das Motiv der
rechten Hand blieb bei ihm ganz dasselbe, wie bei seinem Vor-
ginger. Die linke Hand der Maria, die bei Signorelli den
Kérper vor dem Heruntersinken halt, nimmt in der Marmor-
gruppe eine zeigende Bewegung an und will uns deshalb bei
Signorelli eingreifender in die Handlung, und deshalb gliick-
licher angebracht, erscheinen. — Von den Knieen ab sind die
Beine des Christus, wie auch der Schooss der Maria sammt dem
ganzen Faltenwurf, gleich bei beiden Kiinstlern. Die kleine
	Variation des oberen Theils beschrankt sich auf eine kleine’
	Vorbeugung des Kopies der Maria nach vorn, und der Zuriick-
legung des Obergewandes auf die Schultern in dem Werk des
M.-Angelo, welches leiztere eine Verbesserung ist, weil es
freieren Einblick gewahrt*). — Alle diese Unterschiede treffen
nicht den wesentlichen Charakter des Werkes, dessen Ver-
schiedenheit nicht nur darin, dass der grosse Florentiner sei-
ner Arbeit durch héhere Veredelung und gréssere Wahrheit der
Formbildung einen Adel verlieh, der seinem Vorginger fehllt.
Michel- Angelo biisst nichts ein, dass er seinem Werke ein
anderes, als richtig erkanntes, zu Grunde legte: er hat es
in seinem jiingsten Gericht vielfach und offen gethan*), wie
sein Genosse Rafael; vielmehr verdient seine Selbstverlaugnung
Anerkennung, dass er das als richtig Erkannte beibehielt und
als Ideal mit Bewusstsein aufstellte tiber sein Schdpfungsver-
mégen hinaus. Dieses bewusste Beibehalten des als meister-
giiltig Anerkannten ist unseren Tagen fremd, so viel auch die
alten Meister herhalten miissen, um die moderne Kunst zu er-
nahren, und dennoch sind die Griechen nur auf diese Weise
zu ihren Gétler-Idealen gekommen.
	St. Basilica. In secondo il solito guarnita la Chiesa, ma vi furono messe
le Croci e i Cornucopj nuovi di rame dorati alli pilastri; da prima le croci
erano dipinte in tavola e tutte rotte, e li cornucopj di otione, ma in pes~
simo stato, Feee far questi Monsign. Filippo Lancellotti Sogno maggiore
col ritratto det denari acquistati colla vendita di alewnt quadri, che essiste—
vano nella vecchia Sagrestia; e li esegui Gio- Battista de’ Felici, Ottonaro
del Capitolo. “
1) Siehe Platner и. Bunsen, wonach sie 900,000 Scudi kostete.
2) Bei Fragen, wie diese, wie weit ein Ktinstler den anderen benutzte,
haben wir nie die Gelegenheit ausser Acht, das Urtheil schaffender Kunstler
zu vernehmen. Cornelius, dessen Meinung zu héren wir so haufig das
Glick haben, stimmt auch in diesem Werk mit unseren Ausfihrungen tiberein.
3) Vasari im Leben des M. Angelo.
	Withographie.
	Album - Blitter im mittelalterlichen Style in lith. Farben-
druck von D. Levy Elkan in Kéln. Leipzig. Verlag von
E. Wengler. Fol. (Erscheint in 6 Heften & 1 Thir. 10 Sgr.)
— Heft 1. und 2.
	Jedes der vorhegenden Hefte besteht aus vier chromolithen
Tafeln. Das erste Heft enthalt: 1. das steinerne, reich be-
malle Standbild St. Peter aus dem Kélner Dome; aus der ersten
Halfle des vierzehnten Jahrhunderts. — 2. eine facsimilirte Ko~
pie von einem Miniaturbilde auf Pergament. Es ist dies der
Buchstabe I, der als Anfangsbuchstabe der Worte ,, In principio
erat Verbum et Verbum erat apud Deum et Deus erat Verbum*
sauber in Gold gemalt und ornamenlirt, das eigentliche Bild in
herkémmlicher Weise links begrenzt. Letzteres stellt den Evan-
gelisten Johannes in einer Landschaft sitzend dar, wie ihm, dem
begeisterten Schreiber, die Madonna mit dem Jesuskinde in
einer Glorie erscheint. —- Die mitgetheilte Kopie hat die Grésse
des Originals und ist einem Evangelium entnommen, das, aus
dem funfzehnten Jahrhundert stammend, gegenwartig in der St.
Jacobi-Kirche zu Liittich aufbewahrt wird. — 3. Eine Seite
eines in Elfenbein geschnilzten Hausaltars aus dem Ende des
funfzehnten Jahrhunderts, darstellend die Adoration der Engel.
Nach einem im Besitz des Herrn Essingh in Kéin befindlichen
Original. — 4. Zwei Proben origineller Holachnitzerei an den
Chorstihlen im Kélner Dom, dem Anfange des funfzehnten Jahr-
hunderts angehdrig.

Das zweite Heft bietet: 1. wiederum ein steinernes,
buntbemaltes Standbild, St. Paulus, aus dem Kélner Dom, aus der
ersten Halfte des vierzehnten Jahrhunderts. — 2. Hin gelb- und
braunfarbiges Glasgemalde auf einer Scheibe, in halber Grosse
des Originals, aus der ersten Halfte des sechszehnten Jahrhun-
derts. Es zeigt den Evangelist Lukas in einem Atelier das
Bild der Madonna malend. Neben ihm liegt der Stier, welcher
an einem um seinen Nacken laufenden Bande das Innungswap-
pen der Maler und Glaser — drei kleine, von einem Schilde
eingefasste Schildfelder — trigt. — 3, Eine Bronze-Emaille
aus dem elften Jahrhundert. Es ist dies ein im feinsten Ge-
schmack der Zeit gearbeitetes Krucifix, an dem die Enden des
Kreuzes mit den Darstelluncen von Gott Vater, St. Maria, dem
	botschaftbringenden Engel und dem Engel nach der Auferste-
hung geschmickt sind. Das Bild ist nach den vorhandenen
Bruchstiicken und zwar in Originalgrésse zusammengestellt. —
4, Abbildung in Originalgrésse von einem Miniaturbilde, die
Krénung der heiligen Maria darstellend; aus dem Ende des
funfzehnten Jahrhunderts. Bei diesem Blatte stehen die sauber
gemalten Initialen nicht neben, sondern unmittelbar unter dem
eigentlichen Bilde, wahrend lelzteres auf allen Seiten von dus-
serst zierlich gezeichneten und geschmackvoll gefirbten Or-
namenten, die in Blattern und Blimchen bestehen, gleichsam
umrankt wird. Das Ganze ist ausserordentlich fein in den De-
tails und ein treffliches Beispiel fiir den zarten Geschmack der
Miniaturmaler dieser Epoche. Das Original besitzt Herr Essingh
in Koln.

Die Ausfithrung simmllicher acht Blatter beweist, dass der
Zeichner derselben ein genaues Verstandniss der verschiedenen
Stylarten, welche die Originale ‘charakterisiren, hatte. Jedes
einzelne Blatt ist mit Sorgfalt und Fleiss durchgefihrt und so
auch der Druck mit Aufmerksamkeit, genau und sauber behan-
delt. Aber auch dié Auswahl und Zusammenstellung der Ge-
genstinde ist, wenigstens in den vorliegenden Heflen, mit Ge-
schmack ausgeiibt und sowohl far Mannigfaltigkeit, als auch