zu grosser historischer Stylistik steckt selbst in der Zerstorung von Jerusalem, nur leider in der Gesammtwirkung unlerdrickt von den symbolischen uud allegorischen Anbaulen, durch welche der Kiinstler sein eigenes Bild geviertheilt hat. Die einheilliche, wie Ursache und Folge aneinanderhangende Gruppen -Kette, welche sich von links nach rechis durch den Miltelgrund des Gemildes ziehl, giebt eine ebenso gewallige als wahrheitvolle Darstellung eines machtigen Kampfes. Der iber Triimmern und Leichen, an der Spilze seines Heeres hereindringende Imperator, die Kriegerschaar, welche sich auf den Aliar geworfen und die Tuben schmeliern lassi, dass man es in dew Kérpern der Flie- henden nachdréhnen sicht, diese zuriickweichend unter dem Dach ihrer Schilde, jenseits die israelitischen Heerfiihrer, das Schlachifeld aiberblickend — welch’ eine ungeheure, sich Glied an Glied einherwalzcnde Bewegung! Was Hrn. Helfferich an dem unorganischen Ankleben cer allegorischen Scilensticke slért, empfinden wir nicht minder als elwas Verieizendes , durch- aus Willkahrliches, den Kunsisty! Vernichlendes. Aber was die Grésse des Bildes ausmachi, hat Hi, Helfferich offenbar nicht erkannt, sonst witrde er шей alles Eingehen darauf vermeiden und nur so beildufig hinwerfen, dass dem Kistler in der Zersidrung von Jerusalem ,manches Einzelne(!) ganz vorirefflich gelungen® sei, Man wird uns nichi zumuthen, eine Kritik, die sich selber nicht bemiiht, méglichst allseilig zu sein, in allen ihren Be- hauptungen krilisiren zu sollen. In Vielem, was Hr. Helfferich sagt, stecki ein Korn Wahrheit, so auch in der Hindeutung dar- auf, dass Kaulbach’s Technik sich hauptsaichlich in der Zeich- nung bewdhre, dass die Wirkung seiner Gestallen im Kontur, nichl in der Modellirung durch die Farbe liege. Hr. Helfferich hat einen richtig weisenden Kompass im Vorgefiih], in der Ab- sicht dessen, was er sagen will, aber er verrennt sich in sei- ner Meinung, schiesst aber das Zie] hinaus und bedenkt nicht, dass man einen in scharfer Eigenthimlichkeit, wenn auch ma~ aierirt sich auspragenden Meisier nur in der Gesammtheit sei- ner Eigenschaften beurtheilen darf. Man schreibt keine wahre Kritik desselben, wenn man ihn wie vinen Schiller auf seine Fehler aufmerksam macht, sondern wenn man ihn zugleich in seinen Vorziigen wie in seinen Mangeln als ein Ganzes nimmt und so charaklerisirt. Ein solches Verfahren allein wir- den wir, namentlich in einem direklen Sendschreiben an den Beurtheilien, ein wiirdiges zu nennen im Stande sein. Wollte der Verf. Kaulbach’s Werke nur als Beispiele zu seiner Ab- handlung vom Kunststy! benutzen, so ist nach unseren Begriffen von Dem, was man unter Takt versteht, fiir ein so gelegent- liches Betrachien die Form des Sendschreibens mindesiens un- geeignet. Anders mochie sich die Sache stellen, sobald man sich an Jiinger der Kunst, an Aufstrebende richtet, um sie elwa zu warnen vor der Nachahmung einer Manier, die eben nur als einc Rinzelerscheinung, getragen von einem reichen, selbstandigen Talenie, in der Kunstgeschichie mehr als vor den reinen Prin- zipien der Kunstlehre bestehen kann. Kaulbach ist, bei all’ sei- ner barocken Eigenthimlichkeit, ein Produki seiner Zeit, die Kunstblithe einer kaum abgeschlossenen, wir méchien sagen, geisireichisirenden Epoche, deren philosophirende, Asthelisirende, romantisirende Blatler er noch einmal in seiner Weise und mit der grazidsesien Gewandtheit sammelt. Nur auf solchem kunst- und kulturgeschichtlichen Boden wird es moglich sein, Kaul- bach’s Bedeutung gebihrend zu wiirdigen. Fest wtberzeug! Sendschreiben zu langerem Verweilen auf. Es ist an аеп Ше!- ster Kaulbach gerichtet und bekrittelt hauptsachlich dessen Wand- gemalde im Neuen Museum zu Berlin. Wir wahlen absichtlich das Wort ,,bekritteln*, um eine Krilik zu bezeichnen, welche sich dem bedeutsamen Werke eines berithmten Kinstlers gegen- iiber nicht etwa in dessen Inlenlionen versenkt und aus ibnen heraus méglichst nach allen Seiten hin das Werk bhetrachtet, das Urtheil sorgfaltig abwiagt und der Vorztige mit gleicher Liebe gedenkt, wie der Mangel mit Aufrichtigkeit und ohne Riickhalt, sondern welche mit einigen flichligen Bemerkungen, die hier nicht zum ersten Male gemacht werden, aphoristisch dartiber hinfabrt. Wir leugnen gar nicht, dass der Verf. mil Dem, was er an Kaulbach und seinen Werken aussetzt, zum Theil sich auf richligem Wege befindet. Aber selbst da, wo dies der Fall isi, vergreift er sich nicht sellen im Ausdruck. Wenn er z. B. dus- sert: ,Es ist einmal Ihre Art, bloss Figuren zu geben, die manchmal sehr sprechend und gelungen sein mégen, und ich miisste mich sehr irren, wenn nichi gerade diese Eigenthim- lichkeit Ihren Ruhm bei der Menge begriindet haile*, so ver- schiitlet er in diesen Worten das Kind mit dem Bade. Es ist wohl wahr, dass der eigentiiche Reichihum der Kaulbach’schen Phantasie sich in der Leichligkeit bekundei, mil welcher der Kiinstler Gestalien fdrmlich aus dem Aeymel sehiiltelt, und er lasst sich dadurch oft verleilen, tiber eine hibsche Gesiali mehr das Maass und den Zusammenhang zu vergessen, aber wie viele wirklich schéne Gruppen enthalten doch auch seine Bilder! Ja, in wie grosser und klarer Einheil fasst er in seinem Carion „Каг der Grosse nnd Witiekind* die Fille seiner Motive und Geslalien zusammen, wie gliedert sich hier der Gedanke durch alle Werkstiicke der Composilion! Und von dem Meister, der diesen Carton geschaffen, behauptet Hr. Helfferich ferner: , So wenig es mir zukommen kann, das Wesen und den Grad Ihrer Kunstbegabung abzuschiizen (that er es eiwa nicht in der oben angefihrien Stelle?), so berechiigen mich wenigsiens Ihre Kunsi- leistungen zu dem Schlusse, dass Ihre Werke in demselben Verhiliniss stylloser werden, in welchem Sie, aus dem Kreise des Gewdhnlichen heraustretend, Ideen darznsiellen unterneh- men.“ Bewegen sich die Darslellangen zum Reineke Fuchs im Kreise des Gewdhnlichen? Sind sie ideenlos, sind sie styllos? Gerade in ihnen zeigt der Kistler, dass er einen Styl habe fir das Humoristisch-Phantastische, indem seine individuelle Kunstrichlung mil dem Gegenstande seiner Darstellung harmo- nisch zusammenklingt. Dieser Styl, eben wei) er in einer we- sentlichen Eigenthiimlichkeit des Kaulbach’schen Kinstlercha- rakters wurzelt, wird in den meisien Fallen zur Manier, wo er mit dem Gegenslande nicht harmonirt. Halie Hr. Helfferich da- her mil seinem Satze nichi so kurzweg deo eben so feinen als kecken Geist Kaulbach’s unier die Masse des , Gewéhnlichen“ geworfen, ihm nicht so yom hohen Pferde herunier die Fahig- keit abgesprochen, Ideen slylvoll darzuslellen, so wirden wir vielleicht in folgender Behauptung mil ihm einigermaassen tber- eingekommen sein: ,Je mehr Kaulbach sich von der Behand- lung humoristisch-phantastischer Gegenstande enlfernt und der Geschichle zuwendet, um so siylloser werden im Allgemeinen seine Werke.* Wenigstens Angesichis der gemalien \УеНое- schichte im Neuen Museum wiirden wir eine soleche Ansicht gerechifertigt finden, wenn auch der schon erwihnte Wiilekind- Carion geeignet ware, wieder einige Zweifel in die Untriglich- keit derartiger Massenuriheile zu erwecken. Ja, eine Anlage (Der heutigen Nummer liegt das Beiblatt No. {3 bei.) Verlag von Rudolph und Theodor Oswald Weigel in Leipzig. — Druck von Gebr. Unger in Berlin.