dunkleren Theile des Gewandes, das sowohl hier als an den
oberen Theilen des Kérpers gut motivirt und geordnet ist; aber
in den helleren Wolken hatten diese Linien weniger hervor-
ireten sollen; das Netzférmige derselben geht fiir den Beschauer
auf den richtigen Slandpunkt nicht verloren.

Interessante, ktinstlerisch bedeutende Blatter erblicken wir
auf dem Gebiete der tibrigen Historie und des _historischen
Genre. Vor allem der im ersten Jahrgang erschienene Stall-
slich in Schwarzkunst von Schultheis ,Gregor VI. in der
Verbannung zu Salerno* nach Julius Schrader’s Aquarell-
gemilde. Finsteren, nachdenklichen Blickes, den eingefallenen
Mund scharf und biller zudriickend, sitzt der ehemalige Ge-
bieter Heinrich IV. in seiner Zelle, angethan mit einem einfa-
chen Chorrock mit driiber gehaingtem Kragen, der die Ober-
arme bedeckt. Rechts neben ihm trilt ein Klosterbruder in die
Zelle. Das ist nicht nur in Auffassung und Darstellung, son-
dern auch in der Technik des Stiches eines der vollendetsten
Blatter der bis jelzt erschienenen Sammlung. Hin Meisterstick
aicht malerischer Bildung ist der Kopf der Hauplfigur. Wollten
wir unmittelbar nach diesem den ,Grafen Eberhardt den Rau-
schebart* von Gegenbauer in Stuttgart, lithographirt von Pi-
loty betrachten, so miissten wir in den entgegengesetzten Ton
verfallen; wir nehmen daher aus dem t. Jahrgang lieber noch
zwei Lithographieen von Seitz, die eine nach Max Hess’
Oelgemalde ,Brandschatzung eines Klosters im 30jahrigen Kriege®,
deren gelblich braune Farbenténe von vorirefflicher Wirkung
sind; die andere im Halbfarbendruck nach Scheuren’s Aqua-
rellbilde ,die Geusenfahrt am Morgen“, das wir noch vor Kur-
zem ganz in derselben Weise in Oel ausgefihrt bei Dr. Luca-
nus in Halberstadt erblickten. Fiir derartige Stoffe und Ge-
slalten zeigt sich die geniale, trotz aller Skizzenhaftigkeit aus-
drucksvolle Zeichnung des Lithographen wie geschaffen. Ein
auf diesem Gebiete interessantes Blatt des zweiten Jahrganges
ist unstreilig Eberhardt’s Steinzeichnung nach dessen Oel-
skizze , Admiral Ruyter’s Sieg ther die vereinigte englisch-
franzisische Flotte am 21. Aug. 1673%, Nicht die Schlacht in
ihrer ganzen Ausdehnung, sondern nur ein Theil des Admiral-
schiffes mit einigen feindlichen Schiffen in der Ferne wird uns
hier vorgefiihrt. Auf jenem steht, gehalten und umgehen von
seinen Getreuen, der schon bejahrte Admiral mit dem Com-
mandostab in der Hand und betrachtet das in der Ferne bren-
nende feindliche Schiff, wahrend ihm von einigen Umstehenden
das verwundete rechte Bein verbunden wird. Die Composition
ist ansprechend, die Darstellung lebhaft, und die Zeichnung in
den Details der Personen und des Gegenstandlichen correct.
Noch grésseres Interesse durch die sachgetreue Darstellung und
einige namhafte Portraits wird fir Manchen das ebenfalls von
Eberhardt lithographirte Blatt nach dem Aquarellbilde des
Hofmalers Diez: ,Von der Tann schlagt die Danen bei Hop-
trup am 6. Juni 1848“ haben, wo wir die Artillerie der Dinen
und die sie bedeckenden Husaren von der Schaar der deut-
schen Freiwilligen mit ihrem hervorragenden Fihrer an der
Spitze in die Flucht geschlagen schen. Wir kénnen nicht um-
hin, der lebensvollen Behandlung des Malers wie auch der Stein-
zeichnung das gebiihrende Lob zu spenden. Ausserdem ent-
halt jeder der beiden Jahrgiinge noch eine Scene aus den leizten
Revolutionskriegen in Baden nnd in Oberitalien.

Den Uebergang von der Historie zum Genre mégen uns
einige im ersten Jahrgange enthaltene Blalter allegrorischen
Inhalts vermilteln, die wir schon wegen des Namens ihrer Ur~
heber nicht mit Stillschweigen tibergehen dirfen. Zunichst
,lie gefallene Germania* von Julius Hibner in Stahl radirt.
In tiefer Nacht liegt ausgestreckt auf einer Ebene eine weib-
liche Gestalt mil dem Gesicht auf beide darunlerliegende Arme
	КиизИег unseres Erachtens trefflich geldst; nur hatlen wir den
Gestalten der Kiinstler gréssere Lebendigkeit und eine Art von
Eindruck gewiinscht, den die an sie ergehende Berufung auf
sie machen mussle. Die ganze Schaar ist in Gruppirung und
Haltung nicht frei von Langeweile. Auch hier erblicken wir
oben im Hintergrunde, aber in den Nebel der Zukunft gehiilll,
das kiinstlerische Wahrzeichen Miinchens, die Bavaria vor der
Ruhmeshalle.

Wollen wir einzelne Bilder dieser in Copien uns vorlie-
genden kleinen Privatgalerie moderner Meister naher betrachten,
so ordnen wir sie nach der bekannten, wenn auch unzurei-
chenden Gebietseintheilung der Malerei, und beginnen mit der
religiésen Historie. Gleich der ersten Lieferung gehért
eins der lieblichsten und technisch gelungensten Werke dieser
Art an: , die Flucht nach Aegypten‘, Stahlstich in Schwarzkunst
von Schultheis, nach Heinr. Hess’ Aquarellgemilde. Ganz
abweichend von der gewoéhnlichen Darstellung des Gegenstan-
des ist hier die heil. Familie in einem Kahn, dessen Ruder
Joseph fiihrt, wihrend die Fahrt von drei Engeln geleitet wird,
dic den Kelch mit der Hostie, das brennende Herz und die im
Sternenkranz erscheinende Himmelskrone tragen. Nur durch die-
ses Herz und durch den Heiligenschein der Mutter wird das naicht-
liche Dunkel erhellt. Es ist ein Blatt von hoher Meisterschaft
der Technik, die sich einerseits in dem Contrast der kraftigen
Schraffirung und der Weichheit der geschliffenen Téne, ande-
rerseits in der Uebereinstimmung dieser Weichheit mit der Lieb-
lichkeit der Gestalten und mit der weichen und doch so schnellen
Beweguug des Fahrzeuges kundgiebt. Gleiches Lob kénnen
wir der von Plockhorst lithographirten Tuschzeichnung Over-
beck’s , Christus mit seinen Jiingern auf stiirmischer See“
nicht spenden; der einzige Vorzug in der Darstellung des Ge-
genstandes besteht unseres Erachtens darin, dass des Nachens
Vordertheil, wo der Heiland schlaft, vor unseren Augen fast
zu sinken scheint. Im Uebrigen ist weder die Composition des
Ganzen, der Ausdruck der Gestalten, die Zeichnung der Wellen
sehr ansprechend, noch auch der gewihlte matte Sepiaton von
besonderer Wirkung. ,,Die Kreuzabnahine Christi* von Pe-
schel in Dresden, ist, wenn wir nicht irren, von dem Kiinstler
fiir eine Kirche Sachsens in Oel ausgefthrt worden. Es ist ein
ireffliches, in Gruppirung und Individualisirung der dem Erlé-
ser umgebenden Gestalten gelungenes Bild, an dem wir nur
die Gesichisbildung der Hauptfigur edler gewiinscht hatten. Hier
erscheint es als Kupferstich von Meyer in leichter, der Crayon-
zeichnung des Originals entsprechenden Cartonmanier und einem
dem Gegenstande angemessenen gelblich kalten Farbentone. —
Unter den diesem Gebiete angehérigen Madonnen erwadhnen wir
nur wegen ihrer eigenthiimlichen, wenn auch nicht vollig neuen
Auffassung die Steinzeichnung von Correns nach seinem eigenen
Aquarellbilde. Die Mutter, welche mit ihrem schlafenden Kinde
auf dem Schooss unter einem Palmbaume sitzt, ware kaum fir
eine Madonna zu halten, wenn nicht dem Kinde eine Passionsblume
in die Hand gegeben wire. Da im Original die helle Beleuch-
tung des Vordergrundes und der im Hintergrunde aufgehende
Vollmond gewiss von besonderem Farbeneffect sind, so ware
das Bild wohl besser in Halbfarbendruck wiedergegeben. In
gewohnlicher Weise auf einer Wolke sitzend, erscheint die
Madonna von Herm. Anschiitz, nach dessen Oelbild in Stahl
gestochen von Fleischmann. Kindlich schén und lieblich ist
der Ausdruck des Knaben, den die Mutter auf den Arm halt;
aber dieser hitten wir statt des niedergeschlagenen Blickes
lieber den Ausdruck reiner Himmelsfreude gewtinscht. Schade,
dass der Schatten an der rechten Seite der Nase elwas zu stark
gerathen ist und diese etwas zu dick erscheinen lasst. Von
	richtiger Wirkung sind die kraftigen Schraffirungen im unteren—