fesseln ihn die überschlanken, beinahe eckigen Formen mehr als die schmiegsame Fülle der abgerundeten; er kann an ihnen das, worauf es ihm ankommt, besonders prägnant und überzeugend gestalten.
Vielleicht will gar manchem all das in den Rokokodämchen geistreicher und faszinieren
der erstanden sein; aber die Rokokolinie ist vielmehr der Ausdruck eines bewußten Spieles höfischer Grazie, die typische Geste einer bestimmten Kulturperiode, als eine scharfgesehene Naturform. Diese letztere gibt Haber
mann und dadurch schaffen seine Gebilde einen wertvolleren Typ.
Koloristisch ist Habermann nicht weniger ein Eigener. Er hat durchaus seine beson
dere Skala, mit der er seine Töne, Akkorde und Symphonien aufbaut. Eine erstaunliche Kombinationsgabe läßt ihn immer neue Ver
bindungen finden, die bei aller Apartheit nie bunt oder pervers wirken.
Die Fähigkeit, den Weg von der Skizze zum Bilde zu finden, die vielen modernen Malern fast vollständig fehlt, besitzt Haber
mann in hohem Grade. Hierin unterstützt ihn ebensosehr sein fein kulti
vierter Sinn für Farbenharmonie, wie sein scharf ausgeprägtes Gefühl für die Geschlossenheit der Form und ihr Verhältnis zum umgebenden Raum. Diese absolute Beherrschung des Technischen ermöglicht ihm, seinen Schöpfungen eine pikante Pointe zu geben, die allein in der künstlerischen Delikatesse des Vortrags wurzelt.
Und nun von der Synthese zur Analyse!
Die Malernatur Habermanns zeigt schon das „Bildnis in Rot“ (1874), eine Studie des Fünfundzwanzigjähri
gen. In breiter Spachtelführung ist das Ganze hingestrichen und das Zin
nober der Jacke zum Bildmittelpunkt gemacht; den höchsten Helligkeitswert gibt aber die Gesichtsfarbe.
Im koloristischen Aufbau verwandt, aber auf ein Scherzo der Linie ge
setzt, ist ein anderer Studienkopf (1875) des nächsten Jahres. Ein lustiges Zickzack geht durch dies Bürschlein,
das aus alkoholischen Atmosphären zu kommen scheint. Welch ein Gegen
satz hiezu „Die Nonne“, eine Arbeit
der gleichen Zeit. Aber nicht im
Thema liegt der Unterschied! Aus dem fein abgetönten Widerspiel des
Hell und Dunkel taucht das blasse, wächserne Gesicht wie eine Erscheinung auf. Das breite Vertreiben der Töne schafft einen weichen, verschwimmenden Eindruck.
Als Abschluß und Bekrönung der eben entwickelten Art haben wir u. a. die „Schwarze Dame“ (1876) aufzufassen. Ihr Hauptreiz besteht darin, wie das Schwarz so lebendig wirkt, und der emailartige Glanz der satten, tiefen, füllenden Oelfarbe ausgenützt ist. Vor
nehm empfindet es sich, wie zu diesem Grund die helleren Töne instrumentiert sind: ein
schweres Grün und blankes Messinggelb mit zahlreichen Zwischenwerten.
Aus dem gleichen Jahr stammt eine „Studie“ (Dame in ganzer Figur), wie sie auch heute nicht vielen gelingt. Ihre flaumige Leichtig
keit wäre eines Whistler würdig — und das
im Jahre 1876! Das gelbliche Gewand bettet die Gestalt wie in weichen Flaum, was durch den grauen Ton des Hintergrundes noch
schummriger wirkt. — Ein stilles Adagio, das in der markanten Modellierung des Gesichtes kraftvoll einsetzt, um in dem roten Fleck des
HUGO VON HABERMANNFISCHERMÄDCHEN