findet er Neues in der Gestalt selbst, bald unter Zuhilfenahme ihrer Toilette, bald mit dem Beistand der Farbe.
Aus solchen Motiven ersteht ihm auch die „Bajadere“ (Abb. S.245) und
zwar wiederum in verschiedenster Fassung. Hier sehen wir, wie sie sich erst antanzt, die Bewegung noch schäkernd beherrscht und selber ge
nießt, während sie ein andermal von ihr schon in jene Rage hineingezo
gen ist, die sie fortträgt, mitreißt, aufpeitscht zu einem sinn- und atem
losen Tanz, der erst endet, wenn der Körper zusammenbricht.
Gegen das Ende der neunzigerjahre geht Habermann darauf aus, seine Darstellungsmittel durch das Pastell
zu erweitern und seinen Vortrag möglichst zu vereinfachen, als Wir
kung einer wachsenden Großheit der Anschauung und Konzentration des Ausdrucks. Jetzt reizt es ihn, was er sieht und will, mit den sparsamsten Mitteln auch als unseren Eindruck zu erzwingen.
Anfangs arbeitet er in Pastell wie
mit Kohle: auf ein bloßes Hell und Dunkel der Töne — aber mit welcher Verve des Striches und Lebendigkeit der Modellierung (Mädchenbildnis 1898)! Man fürchtet, der weiche Stift
müsse zerbrechen. Im Hintergrund flackert es wie Sturmeswehen und Flammengewoge in dunkler Nacht; belustigt stemmt sich das Mädchen dagegen; alles an ihr ist Frische und
Fröhlichkeit: das lachende Gesicht, die schalkhaften Augen, die zuckende Nase, der lustige Mund, und da
rüberein neckischerSchopf, dem’s gerade wohltut, daß er so geschüttelt wird. Es nützt der schwarzen Boa gar nichts, daß sie in der qualligen Zähigkeit ihrer kaut
schukartigen Masse wie eine veritable Schlange das mut
willige Fräulein in die Tiefe ziehen will — sie bindet ihr nur neue Lebensgeister los!
Ein pikantes Capriccio gibt „Die Eitelkeit“ (Abb. S. 241). Die Pikanterie liegt aber wiederum nicht im Vorwurf. Sie beruht allein darin, wie die Körperfor
men typisch behandelt sind
und im Ton gegeneinander stehen, wie ihre Silhouetten von der dunkel-violetten
HUGO VON HABERMANNDER VERLORENE SCHUH
HUGO VON HABERMANN
DAMENPORTRÄT