herrschenden Ausdruck hingemei
stert. Das gleiche gilt von der natür
lichen Art ihres Sitzens und sich Gebens überhaupt, diedurchdieruhige koloristische Hal
tung der Bilder noch gehoben wird.
Mit den Jahren gewinnen Haber
manns Bilder auch immer mehr an Raumgefühl. Wäh
rend Graf O. noch reliefartig gegen
die Wand gestellt ist, wird der Hintergrund im „Bildnis der Frau W.“, obwohl er zunächst als Fläche erscheint, doch so aufgelockert, daß er uns ein Tiefengefühl erweckt, nicht mehr Wand ist, sondern Raum, der sich nach vorne hin öffnet und als seinen Mittelpunkt die porträtierte Persönlichkeit gibt. Wie Haber
mann ein tausendfältiges Einzelnes in Farbe und Struktur zu einem Ganzen meistert und dadurch seinem Ganzen als Detail unterordnet, zeigt er vielleicht am glän
zendsten in der Behandlung des Haares als Fri
sur. Stets ist sie ihm ein Indivi
duelles, dessen beweglicher Na
tur er überallhin folgt. Er spie
gelt nicht bloß
das metallische Schillern des verschiedenen
Braun, Blond
oder Schwarz; er weiß auch, was das Haar als Schmuck der Frau bedeutet, wie bewußt sie
HUGO VON HABERMANN
MEIN VATERHAUS
HUGO VON HABERMANNWEIBLICHER KOPF
Farbe zugleich die Form baut. Wie außerordentlich lebendig
es in dieser Absicht trägt und formt. Dennoch benutzterdieseKennt
nis, wie die Fähigkeit ihrer
Versinnlichung nicht zu
einem Trick für die
Darstellung moderner
Salondamen. Ihn be
schäftigt nur das
malerische Pro
blem, das in der Bewältigung solch schwieriger Aufgaben liegt — und darin beruht der un
gewöhnliche Ernst von Habermanns Kunst, auch wo sie sich noch mondän gebärdet.
Weniger inspiriert von der natür
lichen Schönheit der Haut und ihres Lebensgeht Haber
mann umso lieber dem auf- und abwogenden Spiel der Körperformen nach. Daraufhin müssen wir vor allem seine Akte ansehen. Wie oft fühlt man in ihnen die mit Wonne modellierende Hand durch, die einzelne Partien mit besonderer Liebe bildet und hervorhebt — so in einer Kohlezeichnung (Akt mit Spiegel) die Verbindung der Brust mit dem Arman
satz. Auch der „Liegende Akt“ (Abb. S. 250) besitzt seinen Hauptreiz nicht darin, wie die
Reflexe der Kis
sen, Tücher und Ueberzüge die Haut beschatten und retouchieren, viel er
staunlicher
wirkt die Gelenkigkeit des ruhenden Kör
pers, der wie ein über Stock und
Stein hopsender Bach durch den Pfuhl dahinfließt.
Das gegenseitige Geschiebe der Knochen in ihren Gelenken,
abwechselnd
mit dem Spiel
sind die Gesichter und wie ist trotzdem ihre Form als Ganzes zusammengehalten, auf einen be