ENTW.: H. MÜNCHHAUSEN. AUSF.: W. DITTMAR—BERLIN.
SPEISEZIMMER. TAPETE BLAU MIT PFIRSICHRANKEN.
Möbelcharakter bekommen. Sie sind keine Bauglieder. Der Stuhl soll unabhängig vom Tisch existieren können, alle seine Linien müssen auf sich bezogen sein und für sich sprechen. Der Schrank soll kein Pfeiler sein, und das Bett soll ein Bett sein, nicht Teil einer großen Bettarchitektur mit Schränkchen, Umbau, Truhe usw. — Die Möbelfabrik ist eine moderne Erscheinung, die aufs engste mit der Mietwohnung zusammenhängt. Ihre Aufgabe ist es, das Mietwohnungsmöbel zu schaffen. Das ist eine Ware, die möglichst in alle Räume und alle Verhältnisse passen soll. Bei uns steckt im kleinsten Schemel noch die Architektur des Raumes. Gerade im Gegenteil sollen wir versuchen, Typen auszuprägen, in sich vollkommene Typen der ein
zelnen Möbel. Wir dürfen versichert sein, aus guten Möbeln lassen sich dann auch gute Gruppen und Räume schaffen. Ohne Zwang, ohne architektonische Absichtlichkeit. —
Es ist, wenn man solche Gedanken verfolgt, ungemein interessant, das Lager von W. Dittmar in Berlin zu durchwandern. Diese Firma ist unver
kennbar schon auf der Suche nach den neuen Möbeltypen. Unbekümmert um alle Stilfragen geht sie auf die einfachsten, knappsten und dabei
doch eleganten Grundformen aus, ihre Möbel tragen mehr den Stempel des Möbelfachmanns als den des Architekten. Da gibt es Büfetts und Schränke, Lehnstühle und Schreibtische, die so neutral sind, daß sie mit jedem Raum harmonieren, und dabei so voll rassiger Kraft, daß sie auch im fremden Milieu sich behaupten. Freilich steckt die Firma ihr Ziel noch höher. Sie will dem Pub
likum nicht bloß gute Möbel zur Verfügung stellen,
in einem Berliner Miethause unterhält sie eine eigene Ausstellung, um auch gute Vorbilder für die Einrichtung unter gewöhnlichen Umständen zu zeigen. Auch das sollen aber keine Architekten
räume sein, sie sind nicht »entworfen«, sie sind nicht Reproduktionen von Zeichnungen, sondern sukzessive zusammengestellt. Ich stehe nicht an zu sagen, daß mir, trotz der natürlichen Sicherheit, die ihr Urheber Hermann Münchhausen in Sachen
des Geschmackes besitzt, manches darin noch zu berechnet, zu formal ist. Wichtiger als die Möbel und Bilder und Teppiche usw. zusammenzukriegen, ist oft, sie zu trennen, ästhetisch zu isolieren. —
Von solchen Kleinigkeiten abgesehen, scheint mir aber diese Ausstellung unter der Reihe ähnlicher
Versuche bei weitem als die verdienstvollste. — a.j.