DAS KERKAU-CAFÉ VON BRUNO PAUL.
VON PAUL WESTHEIM — BERLIN.


V


om Equitable-Palast zum Kerkau-Gebäude.
Damit könnte man kurzweg den Weg bezeichnen, den die Erneuerung Berlins jetzt nimmt. Der Equitable-Palast an der Kreuzung
der Leipziger- und Friedrichstraße, den die Kerkaus nun verlassen haben, ist entstanden als riesiges Prachtstück, das bis tief in die Provinz hinein Staunen
erregt hatte. Welcher Aufwand reckte sich da empor, was kribbelte und krabbelte da alles an den Mauern und Gesimsen und nun, noch ehe dreißig Jahre ver
gangen sind, wird die ganze Herrlichkeit über die Achseln angesehen. Messels Wertheimbau, der wie ein Postulat architektonischer Monumentalität an
den Eingang der Leipzigerstraße gestellt ist, hat jene Scheinarchitektur von gestern außer Kurs gesetzt. Wer von da aus den Weg nach der Innen
stadt nimmt, verspürt auf Schritt und 1 ritt eine rastlos betriebene Erneuerung. Ein Nebeneinander von absinkenden und frisch emporschießenden Werten entsteht. Und vielleicht war diese Nachbar
schaft des Gestrigen und Morgigen nie so pittoresk wie heute, weil keine Epoche das Werk der Väterzeit mit so leidenschaftlicher Heftigkeit ablehnen mußte wie wir. Sicherlich ist vieles, was da heute wird, nicht gerade begeisternd, aber es sucht seine Wirkung
durch ehrlicheres Wollen und mit reinlicheren Mitteln zu erreichen. Es ist mehr Anständigkeit bei den Gestaltern und in ihren Leistungen.
An dem Cafehaus großen Stiles, wie es in Berlin noch häufig genug anzutreffen ist, haben sich auch früher die Künstler versucht. Aber immer nur auf äußerliche Art. Sie schmückten die Wände mit großen Leinwänden, mit Patriotismus, schwer
blütigem Genre oder Opernhauspathetik. Der Rest blieb freies Feld für den Tapezier und seine Falten
künste. Das Organische, das diesen Stätten einer behaglichen Nonchalance den ordnenden Halt gibt,
blieb ungeklärt. Als Bruno Paul sich an die Innenausstattung des Kerkau-Cafes machte, stand er vor einer ganz neuen Aufgabe.........
Das Cafehaus zählt vielleicht zu den Erscheinungen, die auf die Passivseite der modernen Kultur gehören. Die aufgepeitschten Nerven, die gesteigerten Arbeitslasten, die Daseinsnöte treiben den modernen Stadtmenschen in jenes buntige Gemisch von Cafe
düften, Zigarettenrauch, geputzten, schwatzhaften Menschen, Lichterglanz und anspruchsloser Musik.
Es wäre töricht vom Raumkünstler hier jene erlesene Kultiviertheit zu erwarten, die aus einem behäbigen Wohngelaß oder einer auf weltmännische Eleganz