DAS NEUE KUNSTHAUS IN ZÜRICH.
VON DR. HERMANN KIENZLE—DARMSTADT.


I


n den letzten Jahren ist oft genug die Frage der
Museen und ihrer Ausgestaltung von Grund aus erörtert worden. Nüchterne Köpfe behaupten, daß mit der Aufnahme eines Kunstwerkes in ein Museum sein eigentliches Leben erloschen sei und verlangen darum, daß ein Museumsbau nichts anderes sein solle als ein Stapelplatz, der den einzigen Zweck habe, die darin aufbewahrten Kunstwerke zu schützen und in möglichst gutem Licht zu zeigen. Auf der entgegengesetzten Seite steht die Meinung derer, die be
tonen, daß Museen und Galerien Schöpfungen unserer Kultur und eng mit unsern Bedürfnissen verknüpft seien. Nichts stehe deshalb im Weg, daß auch für ein Museumsgebäude, wie für andere Bauaufgaben der Gegenwart, ein künstlerischer Ausdruck ge
sucht werde, mit einem Wort, daß aus dem Sammlungsbau ein Kunsthaus gemacht werde.
Die Museums- und Galeriebauten, die in letzter Zeit entstanden sind, geben in ihrer Mehrheit dieser
zweiten Meinung Recht. Fast überall ist mehr oder weniger entschieden die ästhetische Seite der Auf
gabe betont. Und die neueste Schöpfung dieser Art, das Zürcher Kunsthaus der Architekten Curjel & Moser in Karlsruhe, ist wohl der energischste Versuch, für die Ausgestaltung eines Sammlungs
baues eine moderne künstlerische Form zu finden. — Seinen Schöpfern hat als künstlerisches Ziel das Zusammenwirken der Kunstwerke mit ihrer archi
tektonischen Umgebung zu einem festlichen Gesamteindruck vorgeschwebt. Wer diese Räume durchschreitet, soll sich vor allem zum Genuß und zur Freude aufgefordert fühlen; darum ist ihre Stim
mung nicht nüchterne, kühle Abgeschlossenheit, sondern frisches Leben und frohe Gegenwart.
Für eine solche Auffassung bot das Programm, das den Architekten vorlag, wichtige Fingerzeige. Der Neubau sollte nicht nur der bis jetzt im »Künstlergütli« untergebrachten Sammlung der Kunstgesellschaft ein Heim bieten, sondern sollte auch die nötigen Räume für größere Ausstellungen enthalten. Drittens war geplant, dem Sammlungs
und Ausstellungsbau Fest- und Gesellschaftsräume anzugliedern; doch soll die Ausführung dieses Teils des Bauprogramms einer späteren Zeit Vor
behalten werden; das Gebäude, das in diesem Frühjahr eröffnet wurde, dient dem festen Sammlungsbestand und den wechselnden Ausstellungen.
— Die verschiedenartige Bestimmung des Baues hat in seiner architektonischen Gestaltung eine deutliche Betonung gefunden. Im Hauptbau, der ge