ARCHITEKT MAX ZÜRCHER IN FLORENZLOGGIA DER VILLA »RIPOSO DEI VESCOVI«-FLORENZ
Bereits die Intensität dieser Hingabe an die Dinge der Außenwelt gilt als Richtschnur für die Bewertung der künstlerischen Persönlichkeit, noch bevor der Grad der Erkenntnis und die Stärke der Offenbarung in die Wagschale fallen. Sie zieht zugleich, von notwendigen tech
nischen Fertigkeiten abgesehen, die schärfste Grenze zwischen wahrhaft künstlerischer Natur und dilettantischer Veranlagung. — »Die Hauptsache ist, daß man eine Seele habe, die das Wahre liebt und die es auf nimmt, wo sie es findet.« Wenn ich durch dieses Zitat die Autorität
Goethes anrufe, so geschieht dies, damit die vollendetste Künstlernatur des vergangenen Jahrhunderts einen erschöpfenden Hinweis auf Inhalt und Richtung künst
lerischer Hingabe gebe, aus der die Persönlichkeit des Künstlers und seiner Werke ihre Nahrung zieht. Das Wahre lieben und in sich aufnehmen heißt, sich der Natur nähern, sich ihr verschwistern. Zugleich findet das den Schaffenstrieb des Künstlers erweckende Objekt hierin seine Begrenzung. Nur die überall tätige Natur enthält die absolute Wahrheit. Sie spendet dem Wissenden Kräfte in verschwenderischer Fülle. Jede Abkehr von ihr muß zu Verkümmerungen und Verwachsungen führen und sich in krankhaften Resultaten mit erschreckender Deutlichkeit rächen. Ohne diese Naturgebundenheit erleidet das schaffende Genie seinen künstlerischen Banke
rott. Wie nur die Aufnahme der Natur in ihrer Unberührtheit einen gesunden Nährboden für das Heran
wachsen einer künstlerischen Persönlichkeit abzugeben im Stande ist, so verlangt sie als Gegengabe von dem
Künstler das möglichste Maß an innerer Freiheit und Unabhängigkeit, wenn auch die Art der äußeren realen Verhältnisse natürlicherweise die Art des genialen Schauens bis zu einem gewissen Sinne bedingen. Selbstsüchtige Interessen knechten die Seele und hindern das Aufkommen einer starken gesunden Eigenart, die über allen Zu
fällen steht. Sind die Sinneseindrücke ohne Liebe für Sein und Wesen der Dinge um ihrer selbst willen ledig
lich auf die Befriedigung eines bestimmten egoistischen Verlangens zugeschnitten, so wird der Blick an der Oberfläche dahingleiten ohne Gewinn für die innere Persön
lichkeit und ihrer Wiedergabe. Das Erlebnis tastet sich dann mit blinden Augen an den Dingen vorbei. Das Kunstwerk, das ihm entspringt, trägt bereits den Todes
keim in sich, wenn es auch mit allen äußeren Mitteln der Bestechung um die Gunst der Unsterblichkeit bitten möchte.
Neben der inneren Freiheit des Schaffenden ist die Art der Hingabe von gleicher Bedeutung, denn je tiefer und schrankenloser sich die künstlerische Natur den Dingen hingibt, um so unmittelbarer wird die Er
kenntnis, die sie aus ihnen schöpft, um so reicher die Persönlichkeit. Durch das Weltall wogt ein unsichtbares Meer voll ewiger Ideen, die als Gesetze im Körperlichen greifbare Gestalt gewinnen. Niemals nähert sich der geniale Künstler nur der äußeren Schale der Dinge. Er