DIE PROPAGANDA DER TAT.


E


s gibt heute in Deutschland wohl kaum irgend
eine größere Stadt, die nicht wenigstens einen Laden aufzuweisen hätte, in dem man halbwegs anständige und leidlich geschmackvolle Möbel zu
kaufen bekommt. Eine bessere Rechtfertigung für die Notwendigkeit und die wirtschaftliche Vernunft jener Bewegung, die, als sie auftauchte, von den Produzenten und Vermittlern oft als eine Beun
ruhigung empfunden wurde, läßt sich kaum denken.
Die Fabrikanten und Händler hätten es sich gewiß nicht einfallen lassen, altgewohnte Geleise zu ver
leugnen und einer neuen Welt zu dienen, wenn solcher Wechsel ein Experiment auf Leben und Tod gewesen wäre. Sie unternahmen den entscheidenden Schritt von den Stilkopien zur Gegen
wart, weil sie den dringenden Eindruck empfangen
hatten, daß es im Publikum zu kreisen beginne, daß nach dem Vortritt der Intellektuellen auch die Wohlhabenden die Sensationen des neuen Stiles begehrten. Diese Metamorphose der zahlkräftigen Kundschaft wird den aufmerksamen Produzenten nicht unerwartet gekommen sein, im Gegenteil, manche dürften vermutet haben, sie früher eintreten zu sehen. Indessen, es ist nun einmal so, daß das Kapital konservativ ist und der Reichtum sich ungern von dem trennt, was er ererbt hat. Solche
Eigenschaften dürfen auch keineswegs nur als Erscheinungen des Trägheitsgesetzes gewertet werden; sie sind vielmehr unausschaltbare Faktoren zur Kultur. Es gibt keine Kultur ohne Konvention.
Darum wollen wir jene, die lieber beharren, als daß sie sich bewegen, nicht als die Toten und be
reits Begrabenen aus der Weltgeschichte entschaltet sehen. Wir wollen sie belassen als Hemmungen zur Gesundheit des Fortschrittes. Wie das zu ver
stehen ist, das begreift man sofort, wenn man jener Zeiten gedenkt, die uns den Jugendstil bescheerten. In den Schlössern des Adels und in den Palästen
der Millionäre hat diese ephemere Seuche keine Orgien gefeiert. Sie entlud sich bei denen, die
ohne Tradition sind, sie wurde befriedigt durch jene geistlose und unverantwortliche Fabrikation, die so gewissermaßen vom Umherreisen, vom Pürschen durch den Wechsel gedeiht. All jene Pro
duzenten und Vermittler, die eine Vergangenheit
zu verlieren hatten, haben sich nach Möglichkeit von blinden Experimenten ferngehalten; sie haben,
da sie sich nicht berufen fühlten eine neue Welt mit neuen Formen zu bauen und da sie keine Neigung hatten sich selber dem Tode zu weihen,
einfach festgehalten an dem, was sie groß gemacht hatte. Sie haben sich darob oft vorwerfen lassen