XXIII. JAHRGANG. DARMSTADT. MÄRZ 1912. ARBEITEN VON THEOD. VEIL & GERH. HERMS-MÜNCHEN.


VON WILHELM MICHEL IN MÜNCHEN. Das mächtige Aufstreben Münchens, das für
eine so industriearme Stadt bemerkenswert genug ist, treibt folgerichtig auch architektonische Begabungen hervor, wagemutige junge Kräfte, denen verlockende Aufgaben vor Augen liegen. Sie finden in der lebhaften und gesunden baulichen Tradition der Stadt eine zuverlässige Richt
schnur, in dem Eifer der Mitstrebenden aber einen starken Anreiz zu stetiger Vervollkomm
nung. Es ist nicht leicht, in diesem vielstimmigen Konzert der Talente durchzudringen, und die
jenigen, die sich Gehör verschaffen, haben schon dadurch eine Probe ihrer Kraft und ihres Könnens abgelegt. Die junge Firma Veil & Herms in München gehört zu diesen Erprobten. Ich brauche zum Beweise nicht mehr die Erinnerung an Veils
schönen Repräsentationsraum vom Jahre 1908 wachzurufen. Inzwischen hat sich an den Namen der Firma schon so manche gediegene, feine und den ernstesten Anforderungen genügende Leistung geknüpft, Schöpfungen, denen ein unbestechlich sicheres Raumgefühl und die volle Stärke modernen Formgeistes zugrunde liegt. In den innen
architektonischen Arbeiten besonders befriedigt stets die vollkommen sichere, souveräne Art, mit
der die Beziehungen zwischen dem Möbel und der zugehörigen Wandfläche ins Reine gebracht werden; eine stolze Gesetzlichkeit der Maße gibt diesen Räumen den Adelsbrief. — Die in diesem Hefte gezeigten Arbeiten sind sehr verschiedenartig nach dem Grade der Freiheit, die der ge
staltenden Kraft in den einzelnen Fällen gegönnt war. Hier hieß es sich vorhandenen Räumen anpassen, die dem Raumbildner den stumpfen Wider
stand der Miethaus-Banalität oder den lauten Widerstand eines ganz andersartigen architek
tonischen Denkens entgegensetzten; dort wieder galt es, leere Räume zu schaffen, die die positive Neutralität der umfassenden Zweckmäßigkeit be
saßen. Möbel ohne Räume, Räume ohne Möbel, beides keine Idealfälle für ehrgeizige Baukünstler, aber eben infolgedessen die besten Gelegenheiten
zur Bewährung schlagfertiger Gestaltungskraft, die sich beim Architekten ja hauptsächlich in der Überwindung von Hemmungen zu zeigen hat.
Mit der Villengruppe in dem Münchner Herzogpark haben sich die Architekten auf das Gebiet der Spekulation begeben, nicht von der Seite des bloßen Erwerbsstandpunktes aus, sondern in der Absicht, Verkaufsobjekte von durch