KUNST-SALON KELLER & REINER IN BERLIN.




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ELLER & REINER konnten am 1. Oktober
1907 das zehnjährige Bestehen ihres Kunstsalons feiern. Es sei diese Gelegenheit ergriffen, einen Rückblick auf die Geschichte ihres Unter
nehmens zu werfen. Viele ihrer Veranstaltungen gehören zu den wichtigsten Ereignissen des Ber
liner Kunstlebens. Wenn man ihre Ausstellungen
seit 1897 Geiste vorüberziehen läßt, so empfängt man ein in gewisser Beziehung vollständiges Bild der Entwicklung der modernen Kunst und Innendekoration während der letzten zehn Jahre.
Die Gründung des Salons fällt in das wichtige Jahr 1897, das gewissermaßen die Entscheidung zu Gunsten der neuen kunstgewerblichen Bewegung mit der Ausstellung der »Vereinigten Werkstätten für Kunst und Handwerk« in München und der »Dresdner Ausstellung« einleitete. In dem Zeitraum von 1890 bis 1900 hatte der Verfall von
Architektur und Kunstgewerbe, der am Ende der siebziger Jahre begonnen hatte, seinen tiefsten
Stand erreicht. Der schwülstige Boudoirgeschmack der Salons entfaltete sich in dieser Zeit zur vollsten Blüte; es war eine sonderbare Mischung: auf der einen Seite eine Art Rokoko, das heißt mehr eine
Imitation des spießbürgerlichen Talmi-Rokoko, das die Periode Louis Philipp in Paris ausgebildet hatte, auf der anderen Seite die sogenannte deutsche Renaissance, wie sie durch die Kunstgewerbemuseen Verbreitung fand, jene altdeutsche Kneipen
poesie mit dumpfigen Ecken, schweren plastisch verzierten dunkelgebräunten Möbeln, trübe be
malten Butzenscheiben. Diese Räume waren mit orientalischen Stimmungselementen gefüllt: Perserteppichen, Vorhängen, Japanvasen und Gummi
palmen. In Berlin feierte naturgemäß dieser Protzenstil seine wüstesten Orgien, von hier aus verbreitete er sich über Norddeutschland.
Wir können es heute nur noch ahnen, wie sehr damals die ersten Ausstellungen des neuge
gründeten Kunstsalons in Berlin auf alle diejenigen gewirkt haben müssen, die eine Befreiung aus diesen Zuständen ersehnten. Gleich die erste kunstgewerb
liche Ausstellung 1897 führte an die Quelle der
modernen kunstgewerblichen Bewegung. Sie zeigte die Erzeugnisse der Guild of Handicrafts von Glasgow, jener Innung junger Handwerkskünstler, die sich unter dem bedeutenden Architekten C.R. Ashbee zusammengetan hatten ; Ashbee war aus