AUS DER MEUNIER-AUSSTELLUNG BEI KELLER & REINER — BERLIN.
» Denkmal der Arbeit«.
Ränder. Auch die Farbentöne sind vielfach noch grell und bunt; als ein Kompromiß mit dem alten Stil ist es anzusehen, daß man häufig noch tief
dunkle Möbel und bunte Glasscheiben verwendete, während man Wände und Vorhänge schon in weißen lichten Tönen hielt. Gerade wenn man die Farbe ins Auge faßt, wird man die ungeheure Entwicklung erkennen, die der moderne Stil in
sich seit den zehn Jahren seines Bestehens gemacht hat. Unmöglich wären damals so einheitlich auf einen Ton gestimmte Räume gewesen, wie man sie in Dresden 1907 sah. (Man denke an Behrens und Emil Rudolf Weiß; man vergleiche auch die ganz in Licht gehaltenen Schlafzimmer auf Seite 108 und 109 aus den letzten Jahren.) Dies erste Stadium des modernen Stils, der »Jugendstil«, wie man ihn genannt hat, mit seinen weichen formlos quellenden Formen hat für unser geläutertes Gefühl
von heute, besonders wenn man auch die Architektur ins Auge faßt, noch eine starke Gefühls
verwandtschaft mit dem vorausgehenden Protzenstil; es ist dasselbe schwülstige, malerisch plastische Empfinden, wie in dem Kurfürstendamm-Barock von 1890 bis 1900. Es fehlt den Formen noch das Architektonische, Bestimmte, Gradlinige unserer Künstlergeneration. Seinen Höhepunkt erlangte dieser »Jugend« - Stil auf der Pariser Weltausstellung 1900. In Deutschland ist er heute über
wunden , wir sehen schon mit unangenehmen Empfindungen die Ankäufe französischer Kunst
erzeugnisse von der Weltausstellung 1900 in unseren Kunstgewerbe-Museen; in Frankreich lebt diese Art noch weiter, man sehe z. B. die Schmuck
sachen von Lalique, die 1905 bei Keller & Reiner ausgestellt waren. Gerade dies übertrieben Formlose, Sezessionistische, hat der neuen kunstgewerb
lichen Bewegung in ihren Anfängen so sehr die Anerkennung weiterer Kreise erschwert. Aber das Verdienst von Keller & Reiner erscheint uns nur umso größer, daß sie zu einer Zeit, als die Bewegung noch in den Anfängen, noch unsicher war, im Vollgefühl der ersten Freude übertreibend, in manche Bizarrerie verfallend, darum von den Spießern als hoffnungslos verschrieen: daß sie da
mals den Mut besaßen, sie zu unterstützen und das Geschick, die Brücke zwischen den Künstlern und dem kaufenden Publikum zu schlagen. Sie haben durch die finanzielle Fundierung dem neuen Stil in Berlin die Wege gebahnt. Damals, wo die Akademie und die Kunstgewerbeschule noch hoffnungslos in historischen Traditionen stacken, be
deutete dies etwas. Heute, wo sich alles geändert hat und jeder mittut, ist es keine große Schwierigkeit, die neue Strömung kaufmännisch auszubeuten.
Unmöglich können wir im einzelnen auf die zahlreichen Zimmer-Einrichtungen und Einzel
gegenstände eingehen, die weiterhin aus den Ateliers der Firma hervorgegangen sind, anfäng
lich unter Teilnahme bedeutender Künstler, wie Behrens, Riemerschmid, Vogeler, Wenig und anderer. Es sei auf die Abbildungen hingewiesen, die ausschließlich Arbeiten der letzten zwei bis drei Jahre wiedergeben. Beispiele aller Art sind gegeben: Wohnzimmer, Herrenzimmer, Musikzimmer, Speise-, Schlaf-, Toiletten- und Bibliotheks
räume, Vorhallen und Dielen. Der Betrachter entscheide selbst, wie weit in jedem Fall der besonderen Bestimmung des Zimmers in Raum
gestaltung, Mobiliar und Farbentönung Rechnung getragen ist. Durchgängig waltet ein sicherer Geschmack, feine äußere Lebensbildung und Gemütlichkeit. Vielfach mußten die Zimmer in