EIN KÜNSTLER-HEIM IM ISARTAL.


In der Hailstorm ist das Urthema aller Baukunst, der Würfel abgewandelt. Und dieser Würfel ruht gar wohl behütet unterm großen, weit ausladenden Dach. Der andere Baugedanke war das schlanke Oval. Ovalform hat der rosenbewachsene Treppenvorbau, Ovalform hat die Rasenfläche des Gartens, Ovalform hat die Höhung der Fensterläden, und auch die Einbiegung der Fassade
macht die Ovalform in lebendigem Rhythmus mit. Diese Einbiegung der Wandfläche bedeutet in der Behandlung der Schauseite eine wertvolle Neuerung; sie verleiht der sonst toten Mauer ein eigentümliches Leben, das keiner Steigerung durch Schmuck bedarf. Wozu auch Schmuck?
Wirkt doch die Reihung der runden Balkenköpfe unterm Dach, die vorgezogene Türkonstruktion, der Beleuchtungskörper darüber, die Abwechslung in den Fenster
formen und die Ausladung der Fenstergitter mehr wie alles schmückende Beiwerk. Zudem bringt die vor
gelagerte Steintreppe Abwechslung und Gegensatz in die Umrisse des Haussockels, und die an die Wandbiegung angeschmiegten Holzbänke vorm Haus geben dem Gebäude einen gemütlichen Unterton. All’ diese Zweck
gebilde werden hier von selbst zum Schmuck. Was wäre ferner ein Landhaus ohne natürliche Zier? Wenn die Frühlingssonne Busch und Strauch mit Blättern und Blüten belebt haben wird, werden sich die die Terrasse um
stellenden Rosenstöcke zu einer Rosenwand verdichten und den eintretenden Gast oder Fremdling mit einer Rosenkette umranken und festhalten. Ein lebendiger
D
arf ich den Leser zu einer kleinen Wanderung
einladen? Ins Isartal gehts, dem »prächtigsten Teppich der Welt«. Hüben und drüben ein unver
gleichlich schöner Hochwald voll geheimnisvoller Poesie. Graubärtig stehen die alten Baum-Recken da, mit Narben übersät, Sieger im Kampfe der Elemente. Ihre wetterharten Arme ragen schirmend über das aufkeimende Jungholz. Glitzernd goldig, hellgrün und gelb malt die Sonne Lichtflecken auf die runzligen Stämme; durch das Geäst huschen flimmernd und schillernd die Sonnen
strahlen hin und her, und Goldfäden spinnen sich über bemooste Reiser. In das Dunkelgrün des Nadelholzes mischt sich das frische Laub alter Eichen und leitet über zu dem Saftgrün der zwischengestreuten Wiesen. Diese Landschaftsbilder begleiten zu beiden Seiten das Tal und zwischendurch schlängelt sich in ungebundenen Umrissen das breite Band der smaragdgrünen Isar, der freien Tochter der Berge. Sie hat sich ein tiefes Bett in die lachende Landschaft gegraben und mit Schöpfer
kraft mächtige Hänge herausmodelliert, von wo der Blick über den grün eingefaßten Flußlauf, über Dörfer,
Burgen und Schlösser hinschweift bis zur majestätischen Alpenkette, die nicht selten Felsenhänge, Schneefelder, Lawinenrinnen, Zacken und Grate mit bloßem Auge unterscheiden läßt.
Mitten in dieser Landschaft liegt das Dorf Pullach und am Südende des Dorfes, ganz am Hang, das Ziel unserer Wanderung, das Landhaus einer Münchner Malerin.