CAMPBELL & PULLICH — BERLIN.
Kleines Büfett.
sorgen liege ihm nicht ob, dann ist er eben überflüssig. Der Tisch soll kein Bild und kein Ornament werden.
Er soll seinen festen Zusammenhang mit dieser Welt der Wirklichkeit nicht aufgeben. (Die Ästhetik sagt bekanntlich, das Kunstwerk gehöre einer »andern, unwirklichen Welt« an.) Das heißt aber beileibe nicht, das Möbel solle weiter nichts sein als ein Gefüge von Holzstücken, geeignet, einem bestimmten Zweck zu dienen. Wie bei der Kirche, ist es gerade erst durch das Zurückdrängen der rein formalen Kunst möglich, das zu pflegen, was man die »Seele« des Möbels nennen darf. Was ist die Seele eines Möbels? Das
zu definieren, hält schwer. Sagen wir einmal, es ist die Summe der geistigen Eigenschaften, des Innen
lebens, der gemütlichen Vorgänge, die wir mit seiner Vorstellung verbinden. Der Speisetisch, dieser aus
Holz gezimmerte Gegenstand, hat in Wirklichkeit freilich keinen Willen, keinen Charakter, keine Vernunft. Aber unsere Vorstellung dichtet ihm das alles an. Sie macht gleichsam ein persönliches Wesen aus ihm. Denken wir uns einen Soldaten : Die Vorstellung hat etwas Kriegerisches, ebenso wie die des Priesters etwas Feier
liches, Geweihtes. Und so ist in unserer Vorstellung der Speisetisch ein biederer, ein wenig schwerfälliger
Geselle, der breitbeinig dasteht und uns dienstfertig eine weit ausgreifende Platte darbietet zum Auflegen einer Menge von Tellern, Besteck und Speisen, die er alle geduldig und sicher trägt. Er hat einen Willen, den Willen, uns nützlich zu sein und seine Sache gut zu machen ; er hat einen Charakter, einen etwas derben, gutmütigen aber festen Charakter, und er scheint uns
vermählen. Wenn wir eine gute Kirche haben wollen, so nützt es nichts, daß die Gründer fromme, gläubige Leute sind und der Erbauer ein tüchtiger Architekt. Wenn der Architekt nicht mit seiner ganzen Seele bei der Aufgabe ist, wenn ihn bei der Arbeit nicht der Schauer, die Erhabenheit, all die konzentrierte Poesie erfüllt, die mit der Vorstellung »Kirche« verwoben ist,
so wird er eben ein Stück mehr oder minder glänzender Architektur schaffen, aber kein Haus der Andacht und der Gottesverehrung, Was wir in den letzten Jahren als moderne Kirchen bekommen haben, das sind zum Teil recht interessante Variationen des altbekannten Kirchentyps unter Anwendung unserer modernen Architekturformen auf den besonderen Pall. Sie befriedigen viel
leicht das Auge als Baukörper, aber Kirchen im vollsten Sinne des Wortes sind es nicht. Das gleiche gilt übrigens von fast allen sogenannten Kirchen des letzten Jahrhunderts. Es sind meist bloße »Architekturen«, Kombinationen von Bauformen, denen der beseelende Odem fehlt. Demut oder Kraft des Glaubens, beschau
liche Andacht oder glühende Verehrung müßte aus jeder Linie, müßte aus dem ganzen Hause reden, als ob die Steine Zungen hätten. Formale Künste machen diesen grundlegenden Mangel nicht wett.
Obwohl von einer hehren Kirche zu einem geringen Möbel, wie z. B. einem Speisetisch, ein recht weiter Schritt ist, so liegt hier die Aufgabe im kleinen doch vollkommen gleich. Nicht auf die Originalität des »Musters«, nicht auf den tadellosen Ausgleich der Massen, nicht auf die moderne Linienführung kommt es an. Und wenn der Künstler meint, mehr zu be