ARCHITEKTEN A. KARST UND H. FANGHÄNEL — CASSEL.Neues Fürstl. Kurhotel und Badehaus Pyrmont.
englische Einfluß bei uns zu einem entscheidenden Faktor der modernen Entwicklung zu werden.
England hatte etwa zehn Jahre früher als Deutschland den richtigen Weg gefunden, indem es der von William Morris ins Leben gerufenen Reform des eng
lischen Hauses eine modernere, das heißt praktischere Richtung gab. Es ist bezeichnend, von wo diese Modernisierung der Morris’schen Ideen ausgegangen ist. Es sind nicht die Räume, in denen bei uns gewohnter
maßen der kunstgewerbliche Luxus Staat macht: nicht die Repräsentationsräume (die im eigentlichen Sinne das englische Bürgerhaus gar nicht kennt), sondern die
jenigen, die dem materiellen Bedürfnis dienen. Worin die moderne Wohnkunst gegen frühere Zeiten wirkliche Fortschritte gemacht hat, das ist die Bequemlichkeit, die Reinlichkeit, die Gesundheit des Wohnens. Das Badezimmer gehört zu den unbestrittensten Errungenschaften unserer Zeit. Der Geist, der hier zum Aus
druck kommt, deutet die Richtung an, in der sich die künstlerische Entwicklung des englischen Hauses überhaupt bewegt hat. Es ist das Prinzip sachlicher Einfachheit, die »Schönheit der vergeistigten Zweckmäßig
keit«, die auch den übrigen Räumen ihren Charakter aufgeprägt hat. Die Zimmer, die am unmittelbarsten davon berührt worden sind, sind die Schlafzimmer, die Klubzimmer, die Speisezimmer. Hier sehen wir auch am deutlichsten, wie der Engländer die alten Möbelformen auf
genommen und den fortgeschritteneren Zweckmäßigkeits- Bedürfnissen unserer Zeit angepaßt hat: die Sitzmöbel behäbiger, geräumiger macht, das Himmelbett fortschafft
stärker gewesen wären, als in Frankreich. Der glänzende Erfolg der Darmstädter Ausstellung von 1901 hatte die Industrie für die neue Sache engagiert ; die Fabriken mußten dem erwachenden Interesse des Publikums an der modernen Kunst Rechnung tragen. Was aber bei den Werken der sieben Darmstädter und ihrer Ge
sinnungsverwandten der Ausdruck einer kühnen, vom Bann der historischen Stiltyrannei zum ersten Mal in voller Freiheit auflebenden und sich auslebenden künst
lerischen Entdeckerfreude gewesen war, das wurde bei der fabrikmäßigen Ausbeutung der neuen künstlerischen Ideen zu einer gesinnungslos nachstümpernden Ge
schäftssache. Die Industrie, die mit der gedankenlosen Modesucht der kaufenden Masse kalkuliert, hielt sich mit gutem Grund an das Auffallende, also das, was an der neuen Bewegung noch wild und reifebedürftig war, sich aber um so leichter unter irgend einer Spitzmarke als moderner Stil etikettieren ließ. Freilich, je auf
dringlicher diese industriellen Verballhornisierungen van de Veldischer, Pankokscher, Olbricher Formen auftraten, desto rascher sah sich auch das Publikum daran satt. Da schienen die Kopien der alten Stile, die dem Tatendrang des Ornamentzeichners eine feste Schranke setzten, immer noch besser. So wäre, wie gesagt, der Bankerott der modernen Bewegung in Deutschland so sicher gewesen, wie in Frankreich, wenn sie sich nicht aus der Sackgasse des »Jugendstilsherausgefunden hätte. Unter den äußeren Einwirkungen, die dabei mitgespielt haben, gebührt dem Beispiel Englands das Hauptverdienst. Hier erst beginnt der