ARCHITEKT RICHARD HIRSCHE — PRAG. AUSFÜHRUNG: KAIS. KGL. HOF-MÖBELFABRIK HEINRICH ROHRS — PRAG.
Halle mit reicher Wandvertäfelung. Jubiläums - Ausstellung Prag 19o8.
und Wände sollen zusammenfließen. Dann quillen die Wolken in den Raum hinein und hängen an den Wänden
herunter; es öffnen sich die Wolken, und Apollo auf seinem Sonnenwagen rast heraus, die Beine der auf
bäumenden Rosse pendeln in den Saal hinein; dann stürzen Menschenhaufen aus den Wolkentoren, und Menschenhaufen jagen ihnen entgegen, an den Wänden herauf, aus dem Nichts heraus, sie umschlingen sich, sie schwimmen im Raum; dann stürzt das Licht in Balken aus den Wolkenspalten und prallt auf die massigen Körper, die auf gemalten Gesimsen zwischen Wolkenfetzen sitzen und die gewaltsam verkürzten oder ge
reckten Extremitäten in den Saal hinunterstrecken. (Etwa die von Tiepolo [*)] ausgemalte Würzburger Resi
denz.) — Während so die Decke in ein stampfendes Chaos aufgelöst wurde, weitete man die Wände zu Panoramen. Kolossale Scheinarchitekturen illusionieren ganze Systeme von Hallen, Wandelgängen, Baikonen, Treppen, Säulen, Gitterwerk. Die virtuos beherrschte Perspektive baut tiefe Durchblicke und läßt alles so geräumig anlegen, daß bunt gegliederte Menschen
[*)] Damit ist schon gesagt, daß das malerische Können Tiepolos ein ungeheures sein muß. Kr ist einer der größten, vielleicht der rücksichtsloseste Virtuos des Fleisches. Seine Akte sind von einer packenden Grandiosität von aufreizender Sinnlichkeit und blühender Schönheit.
meister, hie Bildhauer. — Es gab indessen noch eine andere Methode der Wandauflösung und Raumdurchstoßung; man fiel der Architektur in den Rücken und bekämpfte sie mit ihren eigenen Mitteln. Man löste den tektonischen Zusammenhang, indem man unwirk
liche Bauteile dazu log. Das scheint anfangs eher eine Bereicherung der baulichen Gliederung zu sein, erweist sich aber bald als eine gar leicht zu mißbrauchende Freiheit. Es ist gewiß noch harmlos, wenn die Decken
malerei einen Balkon mit daraufgestellten und von dort in den Saal hinunterblasenden Musikanten illusioniert (z. B. : Pal. Scrofa Calcagnini, Ferrara, Anfg. d. 16. Jhs.). Die Gefahr des Verfahrens ist aber sofort augenscheinlich, wenn über dem Balkon noch ein Gesims vor
getäuscht wird, auf dem Pfaue zu sitzen scheinen, oder wenn von dem Balkon aus Pfeiler emporsteigen, die definitive Decke zu tragen; durch die Intervalle zwischen den Pfeilern aber schaut der Himmel und ein Dach
garten herein. Jetzt bedarf es nur noch eines geringen Entschlusses, die Decke ganz forlzuwischen — dann hat der Himmel völlig freien Zutritt und alles, was darinnen wohnt. — Noch ein Todesstoß bleibt zu tun;
die Naht, wo die Decke, soll heißen : der Himmel auf die Wände aufsitzt, gilt es zu beseitigen — Himmel