MODERNE ETAGEN-WOHNUNGEN
IM MÖBELHAUS HERRMANN GERSON IN BERLIN.
W
enn eine eingebürgerte und gut renommierte Firma,
die bisher nur in den verschiedenen Stilen arbeitete, sich mit einem Ruck der modernen Bewegung zuwendet, so ist das Ereignis genug, daß der Beobachter des Zeit
laufes es registriert, nach der Ursache und dem Wert der Wandlung forscht. Eine solche intime Beschäf
tigung des Theoretikers mit einer Firma hat leider immer noch etwas Beunruhigendes; wohlwollende Freunde fragen mit Bedacht nach der Prämie, die à discretion erhoben wurde. Wir sind noch nicht so weit, die Kritik einer Firma und deren Leistungen als das objektive Urteil eines Unparteiischen hinzunehmen, wie wir dies mit der Beurteilung des einzelnen Künstlers längst zu tun gewohnt sind. Wobei nicht gesagt zu werden braucht,
daß solche Objektivität von der Geistesart des Richters bedingt wird. Worauf es ankommt, ist dies: die Lei
stungen des Kapitals sollen, unbekümmert ob dadurch der Umsatz vermindert und das Geschält gestört werden könnte, an dem Maßtabe der Qualität, des Geschmackes gemessen, unter ökonomischem und ästhetischem Ge
sichtspunkte gewertet werden. Damit wird anerkannt, daß die jeweilige Firma als kultureller Faktor in Frage kommt, daß sie als eine Instanz der Initiative, der Aus
führung und der Organisation dem Künstler, dem Bestimmer der Form, gleichgeachtet werden muß. Solche Erkenntnis dürfte auch heute manchen trefflichen Enthusiasten schwere Überwindung kosten; noch ist es
nicht wieder dahin gekommen, in dem unternehmenden Kaufmann einen Förderer des wahren, nicht des illusionierten Fortschrittes zu sehen. Wer aber nüchternen Sinnes überlegt, wie denn nun die mannigfache Propaganda, die für die Künste und das Kunst
gewerbe, für gediegene und geschmackvolle Ware, durch Ausstellungen und Literatur, von Künstlern und Kunst
freunden betrieben wird, reelle Früchte bringen soll, der muß zu der Einsicht kommen, daß eine Erfüllung der Ideale nur möglich ist, wenn das Kapital, der speku
lierende Unternehmer, sich der Ideen bemächtigt. Dies wird geschehen, wenn der Kaufmann sich von solchem Übergang zur Produktion in moderner Gesinnung einen Erfolg verspricht-, was wiederum voraussetzt, daß das kaufkräftige Publikum bereits einigermaßen aufgeklärt,
dressiert und reif ist. Wir geraten hier also an einen Kreislauf, bei dem man nie zu sagen vermag, wo die Ursache aufhört und die Wirkung beginnt. Es wäre unbillig, zu verlangen, der Kaufmann solle für eine Renaissance aller Dinge den Boden von Grund auf roden; er tat Genüge, wenn er der Zeichen der Zeit achtete, wenn er mit sicherem Instinkt das Zukunfts
gewisse herausfand und sich mit erwogener Energie zum Förderer dessen machte, was wohl die Möglichkeit, aber noch nicht die Gewißheit eines Erfolges verspricht. Diese Gewißheit wächst (und das eben ist der Drehpunkt des Kreislaufes) durch die aktive Parteinahme