PROFESSOR ALFRED MOHRBUTTER — CHARLOTTESBURG.
Möbelhaus Herrmann Gerson — Berlin. Treppe, und Textil- Schränke in der Eingangs- Halle.
einer leistungsfähigen Firma. Die große Bewegung der Reinigung und des Aufbauens, die wir nun einmal mit dem leidigen Wort »Moderne« be
zeichnen, kann durch nichts aulgehalten werden; aber sie gewinnt an Stoßkraft mit jeden Hun
derttausend Mark, die sich ihr zur Disposition stellen. Und sie gewinnt doppelt, wenn dies Geld bis dahin der alten Gewöhnung gedient hat. Darum will es als ein Merkstein geachtet sein, daß Herrmann Gerson die langgepflegte Tradition des Hauses durchbrach, um dem Können der Gegenwart eine Provinz einzu
räumen. Gerade dem Publikum, das sich durch dies alte Berliner Haus versorgen läßt, fehlte bisher ein ge
eigneter Vermittler. Es bleibt zu hoffen, daß durch
diese Wandlung die blinde Leidenschaft zu dem Mobiliar der französischen Könige manchen Abbruch erfährt, daß so mancher repräsentable Mann, so manche Dame von Welt, die bisher ohne historische Atrappe glaubten nicht à la mode zu sein, Freude und Willen bekommen, auch das Wohngerät, die Gestalt des Heimes, der For
derung des Tages untertan zu machen. Um so eine
Pflicht zu erfüllen, zu der die Wohlhabenden doppelt berufen sind, die sie aber aus Bequemlichkeit und Mangel an Mut nur allzu oft vernachlässigen. Es ist charak
teristisch, aber bedauerlich, daß zu den Konsumenten des modernen Kunstgewerbes, besonders der Möbel,
hauptsächlich der Intellektuellen rechnen : während gerade die leistungsfähigsten Kreise sich verhältnismäßig indifferent verhalten haben. Vielleicht liegt das daran, daß bisher das moderne Möbel eine starke Neigung zum Puritanismus und zur Primitivität hatte. Nachdem die pädagogische Wirkung des Formenascetismus so weit eingetreten ist, daß heute Forderungen der Sachlichkeit, der Zweckmäßigkeit, der Materialechtheit selbstverständlich sind, kann nun ein gebändigter und aus
druckswahrer Reichtum wieder zu seinem Recht kommen. Wohl ist es barbarisch, wenn das Publikum keinen anderen Maßstab hat, als den: »wir wollen für unser Geld etwas sehen, unsere Möbel sollen den Rechnungs
betrag in Permanenz illustrieren«. Aber es hat einige Berechtigung, daß ein Mann, der über Reichtümer ver
fügt, auch in seiner Wohnung die Hochkonjunktur der Finanzen symbolisiert sehen möchte. Warum soll man in einem Feldbett schlafen, wenn man sich eins aus Mahagoni mit Perlmuttintarsien leisten kann. Die Moderne verbietet nicht die Kostbarkeit, sie verlangt nur, daß auch bei großem Aufwand die innere Ehrlich
keit und die rhythmische Schönheit gewahrt bleibe. Die diesjährige Darmntädter Ausstellung brachte bereits Zimmer, die mit Bewußtsein danach strebten, das Pathos eines disziplinierten Reichtums zu materialisieren. Es ist klug, daß Herrmann Gerson die Etagenwohnung, die er von Albert Geßner herrichten ließ, auf den Ton