ARCHITEKT CARL WITZMANN — WIEN.
Wohnzimmer J. W. F. — Berlin. Ausführung: J. Soulek — Wien.
einer neuen künstlerischen Entdeckung führen. Das Paradies der Farbe ist diese Entdeckung, die koloristischen Feinheiten, die sich dem Material
studium abgewinnen lassen, und die gerade von den Wienern mit außerordentlicher Treffsicherheit verwertet werden. Nirgends kann man Räume von einer solchen farbigen Klarheit und Harmonie finden, wie gerade in den Schöpfungen dieser Wiener Modernen. Schön, wie ein Blumenbeet möchte man sagen, und so einladend zum Ver
weilen und eine solche Freude für das Auge und für das Herz. Vielleicht spielt ein ethnographisches Element mit, die Eindrücke der bäuerlichen Volks
kunst, die ganz auf Farbe gestellt sind und in Österreich noch nichts von ihrer Frische verloren haben. Wohnräume auf die edle Farbe zu stellen, bedeutet denn auch, nachdem alle sachlichen Grund
sätze feststehen, eine außerordentliche künstlerische Gebietserweiterung, ein neues Reich, von dem für die Seele zu erwarten ist, daß sie mit dem verloren geglaubten und wiedergefundenen Paradies viel zu ihrer Freude gewonnen haben wird.
Nächst der Körperlichkeit ist die Farbe das stärkste sinnliche Element, mit dem es der im Raum gestaltende Sinn zu tun hat. Die Bedeutung
der Farbe für die Abstimmung des Raumes ist bedeutender als man denkt. Sie ist eines der vornehmsten Mittel der Architektur und kann künstlerisch überlegen angewendet, räumliche Mißver
hältnisse ausgleichen oder mildern. Wenn ich die Farbe als Architekturglied ansehe, so braucht kaum
hinzugefügt werden, daß dies im Sinne der Heraldik gemeint ist. Die heraldischen Farben haben den Vorzug der ungebrochenen Frische; wenn ihre
starken Werte gleichzeitig nebeneinander auftreten, so wirkt das Farbenbild dennoch niemals grell. So groß war der künstlerische Takt, daß er die hellen und starken Farben so untereinander zu ordnen wußte, daß aus Kontrasten wohltuende Harmonie entstand. Ein Grundton, etwa Blau, herrschte vor,
und über diesem Leitmotiv spann sich eine liebliche Melodie aus hellen und kräftigen Farbenakkorden. Die Volkstracht des Mittelalters und der Renaissance auch in den Städten ist bunt und malerisch, ihre Farben gleichen den hellen tönenden Vokalen; die Aufzüge gleichen einem reichgemusterten Gewebe,
einem figurenbelebten Teppich, vielfarbig, aber nicht schreiend. Der Geist der Architektur liegt in diesen
Farbenbestimmungen. Die Farbenfreude war groß genug, um die gebrochenen Halbschattierungen,