ALFONSO CANCIANI
Frühjahr-Ausstellung der Wiener Secession
CHARITAS
DIE FRÜHJAHR-AUSSTELLUNG DER WIENER SECESSION
Von Karl M. Kuzmany
Z
u behaupten, gerade diese eine augenblick
liche von den alljährlich wiederkehrenden Veranstaltungen ihrer Art sei die beste, das ist zu einer schalen Redewendung geworden, die verdientermaßen nur noch in Ballberichten ihr Verlegenheitsdasein fristet. Damit wäre eine Uniformität als grundsätzlich zugestanden, nach der es eine fortschrittliche Künstler
schaft, denn um das Werk einer solchen handelt es sich hier, nicht verlangt. So muß der „Vereinigungbildender Künstler Oesterreichs“ das Urteil gesprochen werden, daß ihr die heurige Ausstellung aufs beste gelungen ist, aber zu ihrem Lob an dem absoluten Maßstab gemessen, den sie, wie jedes ein
zelne Kunstwerk, auch als Ganzes in sich trägt. Obwohl sie sich des dogmatischen Charakters enthält, wirkt sie einheitlich. Wenn man ein besonderes Merkmal hervorheben soll, wäre es, daß neben den voll
entwickelten Individualitäten dem Nachwuchs ungewöhnlich viel Raum gegeben ist. Har
monisch finden sich alle auf dem Boden eines ohne Voreingenommenheit betriebenen Naturstudiums. Es hat einen großen Reiz zu beobachten, was sich daraus für jene schon ergeben hat und welche Ansätze die jüngeren zeigen.
Seit Albin Egger-Lienz seine um das Dorfkreuz versammelten „Wallfahrer“ durch die nur leise an- und abschwellende Auf
reihung zu einem gemessenen Andachtsbild gemacht hatte, herb und gewollt schwermütig auch durch die ernsten Farben, schien er seinen Stil für die monumental dekorativen
Gemälde gefunden zu haben. Reliefartig ordneten sich ihm die Gestalten auch weiterhin zu einem Fries (so in dem Bilde „Ein Totentanz von Anno neun“, abgebildet in Jahrgang 1907/8, S. 467), als er seine Schilde