JOSEF ENGELHART
KINDERBILDNIS Frühjahr-Ausstellung der Wiener
Secession
ein Stück Naturstimmung, beziehungsreich dadurch, daß im Vordergrund die Handwerker an einem neuen Dachstuhl zimmern, während sich eine Lawine von den Berghängen löst.
Den weiten Spielraum, dessen Egger-Lienz zum Ausschwingen seiner großen Rhythmen bedarf, hat ihm Architekt Robert Oerley geschaffen, in einem Hauptsaal, der durch seine Anlage
glücklich gegen die acht ringsum folgenden Zimmer sich abgrenzt, die jedesmal anders gestimmt sind. Ueber dem Eingang zu der
Ehrenhalle sind fünf Kartons für Wandmalereien von Ferdinand Andri angebracht (Abb. S. 401). Man begegnet auch hier
wieder Andris starkem Farbensinn, der sich mit einer ebenso von fernher anziehenden Linienführung paart. Die diesmal von ihm zu lösende Aufgabe war umso schwieriger, als nicht nur
das Programm gegeben war, sondern seine in quadratische Felder zu komponierenden Gestalten heiliger Märtyrer den von dem
verstorbenen Felix Jenewein begonnenen Zyklus fortführen sollen, als Kapellenschmuck in der Neu-Ottakringer Kirche. Andri hat es verstanden, das Konventionelle dadurch zu vermeiden, daß
er ganz individuelle Temperamente durch die Darstellungsweise zu typischen Aeußerungen brachte. In seine eigenste Welt führt
Rudolf Jettmar, ein Tenebroso der Stimmungen, an raunende Visionen hingegeben, während Max Liebenwein bekannte Fabeln im frischen Erzählerton — die mutigen Farben seines „Sanktjörg“, die schlanke Behaglichkeit der „Meerweiber“ und die Klarheit im „Verlorenen Sohn“ (Abb. S. 398) tun ihn dar — illustriert. Vorerst das malerische Problem, wie sich ein helles Grün zu dessen Komponenten und dem Hautton verhält („Die junge Tän
zerin“, Abb. S. 406) dürfte Friedrich König gereizt haben, ebenso ist Maximilian Lenz bei seinen „Marionetten“ von den
malerischen Kontrasten ausgegangen, aber vermutlich nicht ohne
an die Beziehungen der jungen Dame zu denken, die sich just den Prinzen aus den Figuren ausgesucht hat, um ihn am
Bändel zu führen. Die Stilleben mit Feldblumen zeigen Lenz von einer andern Seite, der einer poetischen Sachlichkeit, worin
er Leopold Stolba („Phlox“) begegnet. Beweglich, indem sie ein von ihnen vorzugsweise gepflegtes Fach verlassen, treten
diesmal viele Künstler hervor: Anton Nowak bringt neben seinen, ohne Paradeeffekte doch so eindringlich wie die schlichte Natur selbst wirkenden Landschaften ein vollsaftiges Küchenstück (Abb.
S. 402), F. Kruis neben den behaglich breit und in gesunder Luftigkeit gemalten „Holländischen Mädchen“ (Abb. S. 411) auch ihre
heimatlichen Dörfer; Josef Engelhart malt Kinderporträts aus dem Stegreif als mit Farbe leicht übergangene Kohlezeichnungen (Abb. S. 396 u. 397) oder gründlich in Oel, gibt aber auch einen
Versuch von Temperamalerei auf Mauergrund zum besten, und der
als Radierer gefeierte Ferdinand Schmutzer kommt mit Ansichten aus Holland; Ernst Stöhr umgibt ein leibhaftes Märchen („Der Wegnarr“, Abb. S. 400), das ihm aus dem Versenken in das Waldweben sich bildete, mit einem skizzenhaft ungezwun
genen Zyklus von dichterisch erschauten Landschaften aus dem Bereich des Wocheiner Sees. Einmal die winterliche Ebene („Landkutsche“), dann ein Stück Großstadt („Demolierung“)
nimmt der Pferdemaler Oswald Roux als Hintergrund für brauntonige Bildchen, die ebensosehr zurückhaltend sind wie,
ebenfalls bei aller Sachlichkeit, in aller Pracht leuchtend die
Tierstücke von Karl Ederer (Abb. S. 410), bei bescheidenem Format doch packend durch die energische, in nichts übertreibende Modellierung und den warmen Glanz der Farben.