Die Verlängerung des Lebens.




Yoghurtmilch.


Wenn auch das Allem, das allmähliche Zurückgehen des Organismus, zu den physiologischen Erscheinungen gehört, so unterliegt es doch keinem Zweifel, dass der Altersprozess bei den Städtern zu früh eintritt, und dass ihm der durch Schwelgerei oder durch unzulängliche Nahrung, durch Alkohol, durch Abnutzung des Nervensystems geschwächte Organismus zu rasch unterliegt.
Die Frage nach dem Elixier, das das Leben oder doch zum mindesten die Jugend verlängert, ist so alt als das Menschengeschlecht selbst, und die Wege, auf denen man nach dem Arkanum suchte, sind so kraus und krumm, als eben die Oedankengänge des Menschen immer waren, ist indessen das Ziel, das die Heilkunde sich in dieser Hinsicht gesteckt hat, auch nicht erreichbar, weil nicht eine, son
dern Hunderte von Ursachen Zusammenwirken, dem Menschen vorzeitig den Garaus zu machen, so haben doch moderne wissenschaftliche Untersuchungen - die sich wie immer an Urvätererfahrung anschliessen —
einen kleinen Fingerzeig geboten, wie’s der Mensch anzustellen hat, um nicht allzufrüh dem Zeitlichen den Zoll zu zahlen.
Unter den Schädlichkeiten, die die Abnutzung unseres Körpers beschleunigen, führt die Wissenschaft besonders die „Darmfäulnis“ an; diese bekämpfen, heisst die Gesundheit kräftigen, das Leben verlängern. Als das wichtigste der Mittel, das diesem Zwecke dient, wird in einem sehr lesens
werten, in der „Oesterreichischen Rundschau veröffentlichten Aufsatze des Hygienikers Dr. med. Ludwig Reinhardt das „Yoghurt“ angeführt :
Es sind kaum drei Jahre verflossen, so schreibt Dr. Reinhardt, seit die Kulturwelt Westeuropas von den vorzüglichen Eigenschaften der als Yoghurt bezeichnten
besonderen Art Dickmilch Kenntnis erhielt, welche berufen zu sein scheint, für die diätetische Behandlung mancher Verdauungsstörungen von der grössten Bedeutung zu sein. Dieses Nationalgericht der Bulgaren, das sich in allen Balkanländern der grössten Beliebtheit erfreut, hat in seiner Heimat zuerst dadurch die Aufmerksam
keit weiterer Kreise auf sich gelenkt, dass es die merkwürdige Fähigkeit besitzt, alle diejenigen, die regelmässig davon essen, trotz höchst mangelhafter übriger sanitärer Lebensweise und einer sehr lässig durchgeführten Seuchenpolizei merkwürdig alt werden zu lassen. Von Yoghurtessern überlebt ein grosser Teil bei bestem Wohlbefinden das hundertste Lebensjahr.
Ueber das Wesen des Yoghurt sind wir durch die eingehenden Untersuchungen desselben aus der jüngsten Zeit ziemlich aufgeklärt worden. Wie zu
letzt Dr. Grigorow im Laboratorium des Professors Massol in Genf feststellte, enthält diese besondere Art Dickmilch als wirksame Bestandteile drei spezifische Arten von Bakterien. Unter diesen ist der weitaus wichtigste der bulgarische Maya
Bazillus, der lange Stäbchen von geringer Beweglichkeit darstellt. Daneben finden sich ein meist einzeln auftretender Doppelkokkus und ein zu 4 bis 10 Stück aneinandergereihtcr Kettenkokkus. Das erstere Bakterium entwickelt sich auf sterilisierter Milch am besten bei einer Temperatur von 45 Grad Celsius, bei 50 Grad lässt seine Wirkung nach, und bei 60 Grad stirbt es in etwa einer halben Stunde ab. Die zweite Bakterienart gedeiht am besten bei 37 Grad, die dritte dagegen wiederum bei 45 Grad und geht erst bei 70 Grad in einer Stunde zugrunde.
Dieses Bakteriengemenge, in die in einem weiten Gefässe unter gelegentlichem Umrühren bis zur Hälfte des ursprünglichen Volumens eingedampfte Kuh
oder Ziegenmilch gebracht, bewirkt bei uns bei einer Temperatur von etwa 45 Grad eine Gerinnung derselben in 12 bis 14 Stunden. Das ist das Yoghurt. Seine Zu
bereitung geschieht in der Weise, dass man die eingekochte Milch in Schalen oder Gläser geschüttet zunächst auf ungefähr 45 Grad Celsius sich abkühlen lässt. Dann erst setzt man das Ferment der Maya hinzu in der Menge von zwei Kubik
zentimeter per Liter; dazu nimmt man in Bulgarien den Rest des zuletzt fabrizierten Yoghurt. Yoghurt schmeckt sehr angenehm mildsäuerlich, kann liir sich allein genossen oder dem Kakao, dem Kaffee, dem Tee oder der Milch, auch der Fleischbrühe und daraus hergestellten Suppen wie überhaupt allen anderen Speisen (in Rumänien zum Beispiel auch den Gemüsen) hinzugefügt werden. Im Orient wird Yoghurt viellach auch als Dessert mit Zucker gegessen.
Durch die Fermentation mit dem Mayapilze wird die Milch, dieses in Bezug auf seine chemische Zusammensetzung geradezu ideale Nahrungsmittel, nicht nur selbst für den schwächsten Magen sehr verdaulich gemacht, sondern es entsteht dadurch auch eine Nährlösung, die abgesehen von dem billigen Preise wie nichts anderes die Därmfäulnis bekämpft.