Einzelwesen; jeder ist ein Stück des Ganzen geworden, jeder ist er selbst geblieben. Jeder steht und sitzt und schnäbelt, wie’s seiner Art geziemt; jeder hat seinen Charakter und seine Interessen, beschäftigt sich mit sich oder hackt sich mit den Nachbarn herum; wer weiter sucht, stößt auf schnurrige Episoden, auf den Pfau, der sich vorn so unverschämt breit macht, daß er ein allgemeines Verkehrshindernis bildet oder das vorsintflutliche Vogelvieh ganz rechts, um das sich ein ganzer Kreis von Neugierigen gebildet hat, die das niegesehene Monstrum erstaunt anstarren. Oben predigt Franziskus die große und heilige Wahrheit; unten geht das kleine und unheilige Leben seinen alten Gang.
Die Predig geendet Ein jedes sich wendet,


Die Hechte bleiben Diebe, Die Aale viel lieben.




Die Predig hat g’fallen


Sie bleiben wie alle — —
so endet das schöne österreichische Volkslied von der Fischpredigt des hl. Antonius.
Dieses ernste, lustige, großzügige, detail
wimmelnde Bild zeigt ein gutes Stück von der Kunst Oskar Laskes. In seinen Kompositionen pflegt ungeheuer viel vorzugehen, so daß man sie für eitel Literatur halten möchte, komische Einfälle machen uns lachen, so daß der Maler für einen bloßen Spaßvogel gelten könnte. Aber Laske ist das keineswegs; sein Humor ist die Frucht einer ernsten Lebensauffassung, seine unversiegbare Erzählerfreude das Ergeb
nis einer eindringenden Massenpsychologie. Die Menge hat es Laske angetan; ihre bunte Vielgestalt will er malen, ihre unruhige und
bewegliche Seele erfassen. Die Menge ist die Trägerin aller großen Handlungen, die Heldin allen historischen Geschehens; aber dem Beobachter, der sie prüft und zergliedert, wird sie zu lauter Einzelnen, zu lauter Sonder
individuen, aus deren Wechselwirkung und Ineinandergreifen die Massenvorgänge ent
stehen. Die große Menge besteht aus lauter kleinen Menschen und die Monumentalität weltgeschichtlicher Ereignisse zerkrümelt in zahl
lose Alltäglichkeit; aber aus der Vielzahl der Zusammenwirkenden wächst der Menge doch
OSKAR LASKEREICHSRATSWAHL IN CZERNOWITZ (GEMÄLDE)