Um den Dichter, der in der Bohéme des Quartier
latin lebte, schaarten sich junge Bewunderer,..die ihn
auf den Schild erhoben als Fiihrer ihrer neuen Poéten-
schule, oft ohne selbst ihn recht zu verstehen. Die
Gruppe der ,,Décadenten“ sah in ihm ihren Meister,
obwohl er nichts von ihr wissen wollte. Die klare,
frische, gut franzésische Sprache, die er in seinen
besseren Werken gebrauchte, hat nichts gemein mit
der dunklen und geschraubten Redeweise, mit welcher
die ,,Décadents“ die Armuth ihrer Gedanken zu ver-
bergen suchen. Doch ging es ihm wie vielen Grossen:
Seine Verehrer wurden ihm zum Vorwurf gemacht.
Wir sehen dies in einer Karikatur von Emile Cohl
angedeutet, die in einem Flugblatt der Vanier’schen
Buchhandlung, Verlaine’s Verlagsfirma, erschien:
Der Dichter mit Teufelskrallen und der ,,Décadence“
als Schwanz. Als Leier hat er eine Gefangnissmauer,
als Saiten die Eisenstibe eines Fensters.
Originalzeichnung von Cazals,
Von seinen Werken erwahnen wir noch: «La
Bonne Chanson», «Romances sans paroles», «Les
Poétes maudits», «. a
Am 8. Januar machte ein Lungens¢hiag’ dem
Leben des Dichters ein Ende. Keiner seiner Freunde
stand ihm im letzten Stiirdlein zur Seite, denn keiner
hatte geglaubt, dass die Krankheit den, trotz vielen
Leidens immer noch kriaftigen 52er so rasch hin-
raffen wiirde. Es gab viel Trauer im Quartier latin,
dessen grésster Dichter hingeschieden war, und mit
dem Pariser Schulenviertel trauert jetzt ganz Frank-
reich um den echtesten seiner Lyriker.
Ein Busenfreund Verlaine’s, der Maler Cazals, hat
wenige Stunden nach dem Tode den Hingeschiedenen
auf seinem Sterbebett im bescheidenen Miethstiibchen
gezeichnet und der ,,Jugend“ dieses Bild, das einzige
seiner Art, iiberlassen. Verlaine ruht sanft, wie im