Sonne, wie sie, schonheitsdurstig, die Staub-
lein auf seinen Schwingen sucht.

Ja, ein neues Leben sollte werden. Eine
warme Milde strémte aus seinem Herzen,
stieg ihm in die Augen und legte einen
weichen, verklarenden Schleier vor seine
Blicke. Selig sass er vor seinem Glase mit
dem Landwein. Er sah zuriick und sah
vieles, was er unterlassen — er sah vor-
warts und sah eines und in ihm’alles, was
er gut zu machen hatte. Sollte das liebe
Ding an seinem Tische auch arm sein an
Geld und Gut, wofiir hatte er denn sein
artiges Einkommen? Wohl war er gewohnt,
von Vierteljahr zu Vierteljahr eine
behabigere Zahl in seinem Bank-
biichlein zu beherbergen. Aber zur
Stunde diinkte es ihm késtlich, um
todten Mammon jung pulsendes Le-
ben zu tauschen. Wie Verachtung
quoll es in ihm auf, wenn er so
manches Gesellen gedachte, welcher
sich an der schénsten Blume Gottes,
an einem lieben Madchen, vorbei-
gedriickt und ihr habsiichtig eine
schlaffe Mistbeetpflanze des Teufels
vorgezogen hatte. Es kam ihm nicht
in den Sinn, dass er selber solcher
Schuld nicht bar, dass er in Ge-
danken oft genug daran gewesen war,
gerade so zu schachern.

Unter den Nussbaumen ward ge-
tafelt. Der Wein verbiindete sich
dem Maien, und wer ein begnadetes
Ohr hatte, der hérte aus dem Becher-
lauten der Beiden Gelachter.

Unser Aloysius machte ihren
lustigsten Herold. Ihm war, als sei
seine Jugend, die sich nicht ausgelebt hatte,
aus langem, tiefem Winterschlafe erstanden.

Ein Tanzlein ward gewagt, wozu nach
seiner Weisung einer auf einem Schliissel
zu pfeifen und ein zweiter aufeinem Kamme
zu pusten hatte. Als der Reigen fiber den
Rasen walzte, fuhr ihm das Gliickverlangen
in die Arme und er umstrickte sein Part
fester und fester bei dem altmodischen
Landler, den er auf dem Grase beschrieb.
Doch vor seinem Uebermuthe scheute der
des Madchens. Und als die Musikanten
schwiegen und abgelést zu werden ver-
langten, entwandt es-sich, wie des Athmens
bediirftig, und ward heimlich auf einem
Pfidiein, das eigenwillig zwischen krausen
Hecken stak, flichtig.

Der Herr Geometer kniff die Augen
zusammen und blinzelte dem bliihenden
Haupte nach, das, einer gelésten Rose
gleich, iiber der griinen Schanze des
Schwarzdorns schwebte. Und er nahm
den Weg unter die Fiisse, beachtete nicht,
dass ein neuer Ankémmling sich einge-
funden hatte, jubelnd begriisst von den
Genossen, machte lange Schritte und fand
sich bald wieder in der Nahe des Méad-
chens, das sein Herz mit weichen Faden
umsponnen hielt.
	ylhr entwischt mir nicht, Jungferlein!*
keuchte der Verliebte. ,,Nicht heute, nicht
morgen — nimmer! Denn, dass Ihr’s nur
wisst: was Liebes ist mir lange genug ab-
gegangen und ich heirath Euch! Kommt
	— auch die druben sollen’s wissen — alle,
alle — und auf unser Gliick anstossen !“

Ach; der Wein und der Friihling hatten
ihn so zuversichtlich gemacht!

»Bleibt!“ halt das Madchen zuriick. Ein
Zucken umirrt den Mund und besiegt ein
Liacheln. ,,Aber ich bitt Euch, wie kénnt’
Ihr denn Ernst nehmen, was nur ein
Spiel war?

popielP?“ achzte der Geometer. Seine
Augen tasten sich wieder in die Wirklich-
keit und er sieht sich — einen wind- und
wetterzerzausten Dornbusch, dem der Mai
mitleidig eine letzte Bliithe gegeben.

Ein Schatten fallt auf den Weg. Das
Madchen hat einem jugendschlanken Ge-
sellen die Hand gereicht, und unser Aloy-
sius méchte seinem Schutzheiligen Unehre
machen und mit Toben und Withen unter
das Pérlein fahren. Aber er bringt es nur
zu einem Gurgeln und Husten und zu
einer dicken, dicken Thrane.

yich — hol mich der Teufel — ich...“

Ein heiseres Gelichter fahrt dem Mad-
chen in’s Herz. Mit einer schier gewalt-
samen Bewegung tritt es auf das unselige
Gespiel zu, beugt sich vor und kisst das
steif Starrende auf die borstigen Lippen.
Und dann schaut es ihm mit schimmern-
den Blicken in die zwinkernden Augen,
lachelt und zieht seinen verdutzten, stirn-
runzelnden Geliebten mit sich fort.

Der Herr Geometer steht reg-
ungslos. Eine Rosenflocke diinkt er
gespiirt zu haben und doch einen
Schlag, der unter all’ die falschen
Propheten und G6tzen seines engen
Lebens gefahren ist und sie gestiirat
$x hat, um eine wiiste Leere zu lassen.
Er schaut in die Sonne, den jungen
Gestalten nach, und sieht nur das
Madchen, in dessen Kraushaar das Licht
nistet. Doch die Augen sind ihm wund.
Er wendet sich. Und er schneuzt und
schneuzt, als kénne er alle Triibsale dieser
Welt durch die Nase blasen.
	Am Fruhlingshimmel schwimmt ein
goldumsdiumtes Wélklein. Und der junge
Traum unseres armen alten Aloysii Plazi-
dus gleitet mit ihm in die Ferne.
	Er selbst aber trottelt der Stadt zu, uber
deren Thiirmen der Abend hangt, schiittelt
den Staub von den Schuhen und das bése
Liebesspiel aus dem Herzen.
		Friihlingssturm
	Schluchzender Geigen susses Gewirr,
Fléten und Cymbeln von blauen Altanen;
Griines Geleuchte verflattert und irr --
Frithling stiirmt mit fllegenden Fahnen.
	Traumendes Kind, hab’ acht, hab’ acht:!
Aus der Knospe drangt er die Blume,
	me /iindet die Fackel der Liebesnacht,
	Loscht die Ampel im Hetligthume.
VICTOR HARDUNG.
	Cezeichnet von A. Wimmer.
	IES