erste Morgen
	von Anton Frhr. v. Perfall!
	war eine zartlich angstliche Frage. — Bist
du es denn noch? — Dann irrte ihr
feuchter Blick im Zimmer umher, blieb
an der Uhr mit dem gelben Hermes auf
dem Emailgehiuse haften, an den alten
Kupfern. Seid ihr es denn noch? Andem
Bilde der Mutter, — bist Du és denn noch?
-- Dann trat sie unter die Gartenthiire,
umwogt vom jungen Lichte. — Die Ver-
stecke der Kindheit, der kleine Pavillon,
der Apfelbaum, den sie selbst gepflegt, das
Staarenhaus, — seid ihr es denn noch? —
Da brach sie in Schluchzen aus und in den
nassen Augen zitterte der herrliche Morgen.

Die Thiire ging — rasch driickte sie
das Taschentuch vor, — wendete sich —
ihr Gatte. —

»Thrinen, Melanie, heute?“

Er strahlte in Gesundheit und Kraft,
keine Spur von Befangenheit, nur Behagen.
Sein Blick schweifte iiber den Friihstiicks-
tisch. Er rieb sich die Hande. ,,Wo hat
denn der Kerl das Fleisch — ?“

Melanie sah ihn starr an. Ist es denn
méglichP In diesem Augenblicke, den
sie so sehr gefiirchtet.

»Du isst doch auch etwas Fleisch zum
Thee ?“

»Ja — ja — wenn Du meinst —“

„А1з0!“ --. Er ldutete.

Guten Morgen, Melanie!“ Er kisste
sie auf den Mund und sah sie sonderbar
an, mit seinen grossen schwarzen Augen.

Sie musste den Blick davor senken.

Nur ein Wort, das die Kluft nothdiirf
tig iberbriickt’, zwischen heut und gestern.

»Ein Prachtmorgen, was? War doch
eine gute Idee von Papa! So, in Deinem
eigenen Heim, in dem Dir alles von Deiner
Kindheit erzahit, jeder Gegenstand — Das
	Gezeichnet von O. Eckmann.
	Fleisch Johann! Wenn Sie so anfangen —“
sprach er bei Seite zu dem Diener. —
Jetzt sissen wir in einem langweiligen
Hotelzimmer, in Salzburg, oder irgendwo—*
»Und doch — Franz —“ Melanie nestel-
te an ihren Spitzen, ,,so ganz unberechtigt
— der Uebergang ist so unvermittelt, —-
und gerade das Bekannte ringsum — ich
daichte, das Fremde, das keine Seele hat
fiir uns — es wiirde mich weniger —
Franz —“ Sie legte erregt den Arm um
den Nacken des Gatten. ,,Nicht wahr, um
sich das zu sein, was wir uns jetzt sind
— muss man sich unendlich lieben?“
Thun wir ja, mein Liebling, und ob
	wir’s thuen. — Du bist so erregt, in 91е-
ser idyllischen Ruhe. — Begreife Dich
gar nicht. — Gieb mir einen Kuss! So,
	und jetzt lass’ Dir’s schmecken! 

Franz kaute mit aller Ruhe. Fir Me-
lanie war er ein Rathsel.

Er war derselbe geblieben, kein leises
Wélkchen triibte seine Seele, nichts zitterte
in ihm nach, Wie war es nur mdglich?
Und sie in ihrem Innersten verkehrt, ein
vollig neues Wesen. Das war ihr unheim-
lich. Das grosse Geheimniss, das ihre
Madchenseele schon so beunruhigte, das
die ganze Welt durchdrang, das die Mutter
so-‘sorgsam bewahrte, bis zum letzten Augen-
blicke, es war noch immer nicht enthiillt,
es dringte sich von Neuem zwischen sie
und ihren Gatten. Das durfte nicht sein.
Sie dirstete nach Klarheit.

» Warum isst Du denn nicht, Melanie?“

»oage mir nur Eines, Franz. Siehst Du
die Welt noch mit denselben Augen, wie
	gestern?”
Viel schéner, mein Kind, viel schoner
vy ) ?

natiirlich. Du nicht?“
	Gezeichnet von O. Eckmann.
	as junge Paar hatte die kleine Villa
am See bezogen, welche Melanie’s
	&_/ Eltern gehérte. — Hochzeitsreise о

— Geschmacklosigkeit. — Ein glorreicher
Morgen. — Im Garten lockeres Leben, in
	allen Biischen, aufallen Zweigen, Knospen-
sprengen und Duften.

Im gglben Zimmer, mit der Fliigel-
thiire in’s Freie. war das Friihstiick gedeckt,
das erste FrithStiick! Goldiger Honig, ein
Butterwecklein auf frischen Blattern, Zwie-
back und Hérnchen. Ueber der Spiritus-
flamme brodelte das Theewasser.
	Das Tischtuch war mit gelbem Dessin
durchwirkt, in Uebereinstimmung mit dem
ganzen Ton des Raumes. In der einen,
kunstvoll aufgestellten Serviette stak eine
Theerosenknospe, welche vom Frih-
sonnenscheine getroffen, leise sich 6ffnete
und Ruck auf Ruck das Képfchen senkte.

Ein Diener riickte an Allem und Jedem.
Er kannte sichtlich noch nicht die kleinen
Gewohnheiten der Herrschaften. Als er
die Serviette mit dem Réschen beriihrte,
fiel ein Blatt auf den Teller.

Die Thire ging. — Melanie trat ет,
in crémefarbigem Negligée.

Sie stutzte, als sie den Diener erblickte.
Er war der erste Mann, den sie sah —
als Frau. Sie hatte eine unangenehme
Empfindung. Man soll keine fremden Ge-
sichter sehen an solchem Morgen.

Der Bursche zog sich mit einer tiefen
Verbeugung zuriick, nicht oline einen
frechen Seitenblick, wie sie sich einbildete.
Melanie trat hastig vor den Waridspiegel
— ganz nahe. Ihr Antlitz war tief geréthet
—- aus Verdruss iiber den Bedienten.

Aus Verdruss? — Da erréthete sie
noch tiefer. Melanie — Melanie? — Es