JUGEND yAber, Kind, ich bin ein reifer Mann, der mitten im Leben steht. Du warst gestern noch ein unerfahrenes Madchen, die Toch- ter Deiner Mutter. Den Unterschied musst Du doch begreifen, — wenn wir schon ein- mal —“ Melanie drehte die Rosenknospe zwi- schen ihren schlanken Fingern. »lch begreife ihn nicht,“ sagte sie ge- dankenverloren vor sich hinstarrend, ,,und doch, wenn ich ihn gestern begriffen hatte—“ Sie liess die Knospe fallen und bedeckte ihr Antlitz mit beiden Handen. Franz legte den Arm um ihre Hiifte und zog sie sanft an sich. »Narrchen, nimm’ es nicht so tragisch — und nicht zu viel Hineingeheimnissen in so klare Dinge. Es kommt nichts dabei heraus und stért nur ein freies Geniessen.“ Da nahm sie das Taschentuch von den verweinten Augen, in denen sonderbare Lichter spielten. ,,Ich glaube, Du hast recht und ich will Dir folgen.“ Als sie sich erhoben, um in den Garten zu gehen, biickte sich Franz nach der Rosenknospe, die auf dem Boden lag. Sie war vollig entblattert. 264 Vignette von Hegenbart. »Woch — auch — aber, — wie soll ich Dir das nur erklaren? Nicht mehr so unbe- fangen. Der Gesang der Vogel, die Вет, der Duft, die Blumen, all’ das ist nicht mehr das fiir mich, was es gestern war —“ »Und was ist denn dann so Furchtbares geschehen seit gestern ?“ fragte Franz, ein Honigbrod aufstreichend. Melanie gab es einen Stich, mitten durch das Herz. — Das war die Lésung. — yFranz! Was lag nicht alles in diesem Tone, -- die ganze Leidensgeschichte des Weibes. »Aber Kind, davon spricht man doch nicht —“ Er sah sie fast unwillig an und erréthete stark, wihrend auf Melanie’s jetzt bleichem Antlitz keine Spur von Farbe erschien. Das Unbehagen war jetzt an ihm und das Rathselloésen. yAuch die Ehe darf den Schleier nicht vollig liiften, der iiber gewisse Dinge wohl- weislich gebreitet. Erst recht nicht —“ Er sprach es in verweisendem Tone. Du hast ihn eben geliiftet, mit Deiner Frage; mehr, — zerrissen hast Du ihn.“ -y Melanie! Welche Frage ?“ » Wasist denn so Furchtbares geschehen, seit gestern? — Fir Dich nichts, — fir mich Alles,“ Spriiche der Weisheit Es ist eine alte Erfahrung, Dass der am weisesten rath, Der in dem eigenen Leben Die diimmsten Streiche begeht. Die Thorheit ganz ergrunden, Kann nur ein ganzer Thor. Drum willst Du ein Weiser werden, so werde ein Narr zuvor. FRIEDRICH CORSSEN. »Lass’ sie doch,“ meinte Melanie und stiess sie mit der Fussspitze weg. ,,Wir holen uns eine aufgeblihte im Treibhause.“ Sie schritten durch den Garten, dicht aneinander geschmiegt. Melanie musste lachen, es war wirklich Alles beim Alten. Die Verstecke, der Pa- villon, der Apfelbaum, das Rindenhiaus- chen — nur konnte sie nicht begreifen, wie man sein Herz hangen konnte an solche Dinge. Das kam eben auch von dem thér- ichten , Hineingeheimnissen“, Franz kiisste jeden ihrer Finger, die zarten goldigen Harchen im Nacken. Er lachte und scherzte wie ein Kind. Nur nichts tragisch nehmen, am aller- wenigsten den ersten schénen Morgen! Als Franz die junge Frau wieder in seine Arme schloss, erwiderte sie seine 7,4rtlichkeit. 4wei Jahre darauf ging Franz am Stock, allein, eine Pistolenkugel hatte ihm das Hiiftgelenk zerschmettert. Nachdem er Alles »herausgeheimnisste aus seiner Ehe, wurde sie Melanie zu langweilig und sie wollte sich das _,,freie Geniessen“, das er ihr als des Lebens Kern gepredigt, nicht stéren lassen. Brave Buben Zieht meinetwegen folgsame Kinder, Ihr Miitter, fir die Kinderstuben, — Aber erzieht um’s Himmeliswillen Fir’s Leben keine ,braven Buben“! ROBERT OECHSLER. Der neue Miether Alles war so friedlich hier, So von Frohsinn eingenommen, Bis der Sdugling iiber mir Zwecklos auf die Welt gekommen. Ach, der Kleine schreit so wiist, Dass die Miether rings gekiindigt Und ich alles abgebiisst, Was ich auf der Welt gesiindigt. Wenn die blonde Nachbarin Ihn besucht, dann lacht er gerne Still, voll Bosheit vor sich hin. Weiss er, dass ich dann nicht lerne? FERDINAND V. HORNSTEIN. Bescheidenheit Bescheidenheit, Bescheidenheit, Wer méchte ihren Werth ermessen! So mancher riihmt sich ihrer nur, Weil Sauerkraut sein Lieblingsessen, D. HAEK. Wer getraumt am lichten Tage, Nichts gethan hat, nichts vollbracht, Darf sich figlich nicht verwundern, Wenn im Dunkeln er — erwacht! wWw.w.