Der Storch lbr Boudoir. Elegante Einrichtung. Die Lampe brennt. Das Ehepaar am Theetiscichen. SLE, SIE. ER. SIE. ER. SIE. STE ER, STE. SLB. ‘ER: SIE Du scheinst eine Vorliebe fitr dieses Bild mit dem Storch ем пани. Weil es bezeichnend ist. Was Du verlangst, ‘geht darauf hinaus, dass einer den Glauben an den Storch nicht ver- letzt — Den Glauben an das Ideal! Was verstehst Du unter dem Ideal? Die Tugend, die Anstindigkeit, alles, was sich gehdrt. Dass man. Fische nicht mit dem Messer isst, oder bei einem. Begrabniss einen Cylinder trigt? Dein Spott rithrt mich nicht. Das Ideal ist eben — Das Ideal. Ja, das muss man fithlen. Ihr modernen Manner habt eben das Gefiihl dafiir verioren. Wenn so ein Buch einem jungen Madchen in die Hand falit! So versteht sie’s nicht, dann ist’s ihr chinesisch und kann nicht schaden. Oder sie versteht’s, dann geht’s in Einem hin. Uebrigens kénnen sich die grossen Kiinstler nicht nach den kleinen Madchen richten. Und dem Reinen ist Alles rein. (Er steht auf und bereitet sich yum Fortgehen.) Die Polizei hat ganz Recht, wenn-sie alles confiscirt, was gégen — gegen — : Gegen den Storch ist. : : Und. die Leute, die so etwas schreiben oder malen, ge- héren in’s Gefdngniss. - Ja, aus der Welt machen wir eine Kinderstube und — (Siebt_ auf die Uhr. Ah, ich muss eilen, sonst komm’ ich zu spat-zur Sitzung. (Kisst sie auf die Stirne.) Adieu, mon enfant, du storchgliubiges. (Kokett.) Bist Du mir.bése desshalb? ‘Aber im Gegentheil! (Er gebt-ab.) (bleibt eine Weile hinausblickend am Fenster stehen, bis sie sich tiberzeugt hat, dass-er in die.Droschke gestiegen und weggefahren isl, Dann ippi sie auf die Tischglocke und sagt qu der aus einem Nebenzimmer ‘erscheinenden Zofe): Lassen Sie ihn eintreten. MAX BERNSTEIN. Zeichnungen you O. Eckmaun. ЕК. SIE ER. STE. ER SIE. ER SIE. SIE. signet gemacht. Aber liebes Kind, komm’ doch in Kunstfragen nicht tmmer gleich mit ,,Moral“! (weiss, dass er drgerlich ist, wenn er ,,liebes Kind sagt — also nachgiebig.) Ich versteh’s viélleicht nicht besser. Viel- leicht liegt das an der Erziehung. Wir Madchen — Ihr Madchen! Ihr Madchen wisst ganz genau, dass der Storch die kleinen Kinder nicht bringt. So? Woher weisst Du, dass wir das wissen? (gibt aus guten Griinden keine Antwort hierauf.) Moral! Ich versichere Dir, dass das langweilig ist, jédes zweite Wort: die Moral! Ich schmeichle mir, etwas von Kunst zu ver- Stehen; ich sage Dir, das Buch ist gut, ich erklare Dir, warum ich es gut finde, aus zehn, aus hundert Griinden. Der Mann ist ein Dichter. Und was antwortest Du mir? »Aber die Moral! Das mit der Moral, das. hast Du von Deiner Mutter! , a . Hast Du gegen meine Mutter eine Einwendung zu machen? (nimmt einen Schluck Thee — dann): Deine Mutter gehdrt nicht zu den Frauen, gegen die man Einwendungen macht. Gerade Du solltest ihr ewig dankbar sein, dass sie mir die Grundsitze eingeprigt hat, die sich fiir eine anstandige Frau geziemen. . Warum. gerade ich? . Nach Deiner Vergangenheit... Deine Vergangenheit hat Dich doch zur. Ertheilung solcher Lehren ganz unge- ER. Ich habe gelebt wie alle jungen Manner. Nicht mehr -und nicht: weniger. SIE. Besonders nicht weniger. ER (dem dieses, Thema uobehaglich ist) Wenn ein ‘Kunstwerk als Kunstwerk gut ist, so hat Eure Salonmoral -weiter nichts d’rein zu reden. Wenn ein Dichter die Welt schil- dert, wie sie ist, so kann er freilich darin dem: Storch nicht die Rolle’ zutheilen, welche ihm in der Kinderstube zugeéwiesen wird. Рег Zopf und die Jugend. 326