1896

JUGEND

Мг. 21
	Nach einem alten Schwank erzdhit von Carl Busse.
	Die Gemeinde Siebenschloss machte einer hohen Kirchen-
behérde schon seit Jahren arge Kopfschmerzen. Man hatte es
mit strengen und milden, diinnen und dicken, gelehrten und
ungelehrten Pfarrherrn versucht, aber es war vergeblich ge-
wesen. Die Kirche blieb Sonntags so. gut wie leer, die Ab-
gaben an den Seelsorger wurden gar nicht oder nur nach allen
méglichen Drohungen entrichtet und es war nicht abzusehen,
wann ‘das einmal anders werden sollte. Da kam schliesslich
ein feistes Pfafflein, das darum bat, auch einmal sein Heil ver-
suchen zu diirfen. So war er vor zwei Tagen in Siebenschloss
eingezogen.

Der Sonntag riickte heran und einen Tag vorher wusste
der gute Pfarrer noch nicht, wie er die Siebenschlosser zu
guten Christen machen sollte. Er hatte sich gedacht: gelingt

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es mir, dann hab’ ich eine reiche Pfarre, auf der ich mit
Gottes Hilfe bis an mein selig End aushalten kann; gelingt
es nicht, dann muss ich die Beine in die Hand nehmen und
mich in irgend ein armes Dérflein hinsetzen lassen. So sin-
nulirte er auch am Sonnabend Frith, als er seinen Morgen-
spaziergang durch die Felder machte. Es war ein schéner
Tag, und die Bauern mit ihren Magden und Knechten rihrten
	uberall wacker die Mande. Fleissig waren sie uberhaupt, das
musste man ihnen schon lassen! Die Ernte gedieh auch Jahr

fiir Jahr, und mit etwas Frémmigkeit ware dieses Siebenschloss
ein Musterdorf gewesen.

Aber wie sehr der brave Hirte sich auch anstrengte, es
	 

wolite ihm kein Mittel einfallen, seine verirrten Schéflein auf
den rechten Weg zu fiihren. Schliesslich wischte er sich den
Schweiss von der Stirne, den die warme Sonne und noch mehr
das ungewohnte Nachdenken verschuldet hatten, bekreuzte

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	sich und dachte: Den Seinen schenkt es der liebe Gott im
Schlafe. Wenn sie nur morgen in die Kirche kommen —
bis dahin wird mir schon etwas einfallen!

Nun begab es sich, dass am Nachmittag dieses Tages
	eine grosse Versammlung der Dorfleute stattfand. Am Freitag
Abend namlich war Schmuel gestorben, der Dorfjude, der nach
guter alter Sitte ftir die Bauern mancherlei besorgte, womit
sie sich nicht selber befassen wollten, und der dafiir geduldet
wurde und auch seinen kleinen Verdienst hatte. Es sollte nun
an seine Stelle ein neuer treten und man pflog viel Rathes,
wer dieser Ehre theilhaftig werden sollte. Da ging plétzlich
die Thiire auf und herein trat der Pfarrer. Ohne auch nur
einen Gruss zu sagen, sprach ег: „Меше Lieben, morgen wird
in unserer ehrwiirdigen Kirche ein gross Wunder geschehen,
davon die Enkei noch zeugen werden. Sammelt Euch in Gebet
und Andacht, thuet fein die Augen auf, verstopfet Eure Ohren

nicht, wenn morgen die Glocken lauten. Denn grade morgen
— morgen —“
	4 — morgen —.* .
Der geistliche Herr streckte-den Arm aus und.lief,*wieder
\ ohne Gruss, geradenwegs zur Thiir hinaus.
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