dass bei Tische die Biirgermeisterfrau, indem ihr einfiel, wie ihr Mann ausgesehen hatte, ihn fragte: ysage mir nur um Gotteswillen, Mann, was ist dir nur angekommen, dass Du eine so schauderhafte Miitze auf- setzen konntest?P“ »Findest Du sie so hasslich?“ fragte er verwundert. »Ganz scheusslich“, sagte sie. Der Biirgermeister dachte nach und musste seiner Frau Recht geben. ,,Ich weiss nicht, wie es gekommen ist“, sagte er kleinlaut. ,JIch fand sie wunderhiibsch —, aber im Grunde sehe ich niedertrachtig darin aus. Du kannst sie dem Schorn- steinfeger schenken“. „50 ет Ungethiim tragt kein halbwegs anstindiger Schorn- steinfeger“, schalt die Frau ergrimmt. ,,[ch werde sie in die Kehrichttonne werfen“. Sie ging hinaus, um diesen Vorsatz sofort zur Aus- fihrung zu bringen. Aber als sie die Miitze erblickte, schlug ihr Zorn abermals in Wohlgefallen um; sie nahm sie vom Kleiderstander, betrachtete sie vergniigt, und hangte sie wieder hin. »Es wire doch Schade um die theure Miitze“, sagte sie, als sie wieder in’s Zimmer trat; indem sie sich niedersetzte, argerte sie sich freilich schon wieder iiber sich selbst, aber sie sagte nichts. Denn sie war eine Kluge Frau, und es ver- dross sie immer, wenn der Biirgermeister sein Lieblingswort anwandte: ,,Die Weiber wissen nicht, was sie wollen.“ Der Biirgermeister ass, that sein Schlifchen und wollte dann wieder nach dem Rathhause gehen, um weiter zu re- gieren. Als er auf den Gang kam und dort die Miitze noch hingen sah, rief er verdriesslich: ,JIst das infame Ding noch daP.... Aber im Grunde sieht sie doch ganz hiibsch aus. Ich meine immer, sie steht mir recht gut.‘ Er sah sich verstohlen um, ob seine Frau in der Nahe ware, holte seine Miitze herunter, setzte sie auf, und eilte dann, so schnell er konnte, aus dem Hause. Die ihm be- gegnenden Leute sahen ihm erst verwundert, dann aber wohl- gefallig nach. Auf dem Markte traf er mit dem Eisenbahn- direktor und dem Landgerichtsprasidenten zusammen und kam mit beiden Herren in’s Gespriich. »Wo haben Sie denn die schéne Miitze gekauft?“ fragte ihn der Direktor. . yEin prachtiges kleidsames Ding!“ setzte der Prasident hinzu. »Gefallt sie Ihnen?“ fragte der Biirgermeister sehr zu- frieden, und beide Herren iiberboten sich in Ausdriicken des Lobes iiber die Miitze. Das Ende vom Liede war, dass der Biirgermeister beide in den Laden fiihrte, wo er das schauder- hafte Ding gekauft hatte, und dass Direktor und Pridsident Sich ebensolche Miitzen anschafften und damit in der Stadt JUGEND Мг 22 umherstolzierten. Als der Abend herankam, hatten schon alle ihre Bekannten das Beispiel nachgeahmt; am nichsten Tage kauften immer mehr Leute die Kopfbedeckung, die in ihren Augen wunderhiibsch war, und die Ladeninhaber schickten Eilboten nach der n&chsten grésseren Stadt, um alle Ballon- miitzen, deren sie habhaft werden konnten, anzukaufen, weil ihre Vorrithe auf die Neige gingen. Am dritten Tage liefen alle mannlichen Einwohner von Dingsda mit den greulichen Mitzen auf dem Kopfe umher, und die Fremden, welche dorthin kamen, wussten sich vor Erstaunen iiber die niarrische Mode gar nicht zu fassen. Diejenigen, welche ihre Reisen in Zeitungen und Biichern beschrieben, erzihlten mit Spott und Hohn von der Ge- schmacksverirrung der Einwohner des mitteldeutschen Stidt- chens Dingsda, und in diesem schlechten Rufe blieben die armen Dingsdaer, lange nachdem sie ihre Thorheit einge- sehen hatten und die Zeit, welche der boshafte Teufel fiir ihre Verzauberung bestimmt hatte, abgelaufen war. Weil nun dem Erzfeind der Menschheit dieser nieder- trachtige Streich so iiber die Maassen wohl gelungen war, beschloss er, ihn in ausgedehnterem Umfange zu wiederholen und, wenn es anginge, alle Erdenbewohner mit der lacher- lichen Thorheit der Dingsdaer anzustecken. Er beauftragte einen seiner Unterteufel, der sich durch besondere List, Ver- schlagenheit und Tiicke auszeichnete, mit dieser Arbeit, und der Unterteufel ging mit Feuereifer an’s Werk.’ Als Ausgangspunkt fiir seine Teufelei schien ihm eine recht grosse Stadt am geeignetsten, und da er bemierkte, dass man sich nirgends mehr auf den eigenen Geschmack einbildete, als in Paris, so schlug er in Paris seinen Wohn- sitz auf. Denn der Unterteufel wusste sehr gut, da er ein kluger Teufel war, dass niemand leichter eine Dummheit und Geschmacklosigkeit begeht, als wer sich auf seine Klug- heit oder seinen Geschmack recht viel zu gute thut. In Paris fing er also an, das tollste Zeug zu erfinden, und es dauerte nicht lange, so stand die ganze Welt unter dem Zauberbanne seiner unerschépflichen Erfindungsgabe. Die Pariser machten zuerst alle Narrheiten, die er ihnen eingab, und den Parisern machte es die ganze tibrige Welt nach. Kein Kleidungsstiick blieb von den Kiinsten des Teufels verschont, und keiner seiner Einfalle war so dumm, abge- schmackt und licherlich, dass er nicht in der ganzen Welt bewundert und nachgeahmt worden wire. Die Damen schwarmten fiir Hiite, die bald so gross wie Wagenrader, bald klein wie das Nest eines Zaunkénigs waren, bald ganz hinten im Nacken, bald ganz vorn in der Stirn sassen, bald grossen Blumenbeeten, bald wandernden Straussen glichen, Noch schlimmer ging es mit den Kleidern; in einem Jahre sahen die Frauen wie riesige Tonnen aus, im na&chsten Jahre