Мг 24
		Ein kihler Fruhlingsnachtwind weht
durch die Luft — er bringt einen Duft
wie von Blumen und von thauigen, bliih-
enden Wiesen. —

Neben ihm, hinter dem alten Garten-
zaun steht ein Fliederbusch in voller
Bliithe, — und dritben tént das Rauschen
und Brausen des Wassers in der Miihle.
Silberne Lichter wirft der Mond auf die
schdumenden Wellen; sie tanzen auf und
nieder — bis an den tiefen, schwarzen
Schatten, welcher unter der Mithle gahnt.
	Er nimmt den Helm ab, lehnt sich mit
den Ellenbogen auf das Gelinder und
schaut in die Nacht hinein. —
	Um ihn ist Ruhe — tiefer Frieden;
nur von Ferne ertént das Lied einer Nach-

tigall ...
	“Ein unerklaérliches Gefihl tuberkommt
ihn, in dieser Minute méchte er sterben,
—er fihit sich so gut — fast fromm — —

Woher kam diese Regung?

Seine Seele scheint weit weg zu schwe-
ben...
Dann ist es mit einem Mal voritber.

Wo war er nur?

Kam er wirklich von seiner Verlobung?

Ein Schauder durchzittert seine Gestalt.
Das Rauschen des Wassers dringt unauf-
hérlich an sein Ohr.

Wie damals —

Auch schien der Mond genau so —
und die Nachtigall driiben — wie damals
vor zwei Jahren. —

Zwei Jahre! Und die hatten gentigt,
ihn Alles vergessen zu machen.

Hatte er denn vergessen?

Und nun war ein Unabinderliches ge-
schehen und er musste die Liebe zu jener
Anderen ewig begraben.

Wiirde er das fertig bringen, an der
Seite deren, die seine Braut — ? —

Ein neuer Schauer durchbebt ihn.

Wie hatte er nur einwilligen kénnen!
Nicht nur, dass er sie nicht liebte, —
nein, in ihm empérte sich jetzt Alles gegen
sie. — —

Und er kam von seiner Verlobung!

Wie wiirde es da sein, wenn er erst
Hochzeit halten miisste. — —

Hochzeit —!

Ein Lachen entfahrt ihm.

Er setzt den Helm wieder auf und bittere
Gedariken sind es, die ihn auf seinem Nach-
hauseweg begleiten. —

Ziemlich unsanft wirft er die Hausthiir
in’s Schloss; auch ist es ihm einerlei, dass
sein -Degen gegen das Gelander klappert,
als er die kleine, alte Treppe empor steigt.

In ihm ist eine Wuth. Er verwiinscht
sein Schicksal — sich selber. —

Da, auf dem Tisch —!

Ja, trdumt er denn — —?

Oder ist das nicht ein Brief von ihr? ——

Und heute, gerade heute musste er
kommen!

Er nimmt ihn auf und besieht die feine,
kindliche Schrift. Fast zaghaft beriihrt er
ihn, — ein weicher Ausdruck gleitet tber
seine Ziige, und zirtlich dreht er das
Schreiben um und um.
	gebenheit lesen Кбппеп, 41е сп ш Но!
kreisen zugetragen hatte, — und auch ich
hatte zu Hause davon reden héren, wie
jener Gardeoffizier, — den Morgen nach
seiner am Abend vorher im Schlosse ge-
feierten Verlobung, — todt — eine Kugel
durch den Kopf geschossen, den Revolver
	in der Hand, — in seinem Zimmer auf-
gefunden wurde... Man hebt den Sarg
auf den Wagen ... Dumpf wirbeln die
	Trommeln, — die Truppen prdsentiren —
das Musikcorps spielt einen Choral; und
langsam setzt sich der Trauerzug zu den
feierlich ernsten Klangen in Bewegung.

Die Ahnung von etwas schrecklich
Traurigem erfillt unbewusst mein Kinder-
herz, — es strémt tiber in Weh um den
unbekannten Todten, den man dort zu
seiner letzten Ruhe begleitet, und auf-
weinend berge ich mein Gesicht auf die
Schulter einer Freundin.

Von jener Zeit ab betrachtete ich die
Fenster dritben mit ahnungsvollem Graven
und griibelte oft dariiber nach, was wohl
den jungen, schénen Offizier in den Tod
getrieben haben méchte.

Dann kam ich in eine andere Klasse,
die auf den Schulhof hinaussah — und so-
mit waren jene geheimnissvollen Fenster
meinem Blicke und mit der Zeit auch mei-
nen Gedanken entriickt.

Bald nachher verliessen meine Eltern
H. und ich sagte der Schulbank in dem
lieben, rothen Gebiude auf immer Lebe-
wohl.

Auch die alten Linden und jene Hauser
sah ich lange Jahre nicht mehr wieder.

In fernem Lande dann — viele Jahre
nachher, erfuhr ich von einer Lands-
mannin das, was unaufgeklart dereinst
mein Kinderherz schon so bewegt hatte.
		Es war kein freudiges Gefuhl, was den
Freiherrn von R... so hoch aufathmen
machte, als er an jenem Abend seiner Ver-
lobung das Schloss verliess — ein tiefer
Seufzer war es, der fast wie ein Stéhnen
klang.

Er bleibt einen Moment stehen und
fahrt sich mit der Hand tiber die Augen,
wie um einen bésen Spuk zu vertreiben.
Dann schweifen seine Blicke riickwirts
zu den noch erleuchteten Fenstern des
Schlosses, wo er eben in Huld und
Gnade von den hohen Herrschaften ent-
lassen worden ist.

War er doch dem direkten Wunsche
seines Fiirsten gefolgt, als er sich mit der
Hofdame der Prinzessin verlobte; er hatte
allerdings nicht geglaubt, sich so schnell
entschliessen zu miissen, als er einige-
male mit der stolzen Blondine auf den
Hofballen getanzt hatte. — Da war es ihm
plétzlich nahe gelegt worden, und ehe er
noch Zeit zum Ueberlegen fand, stand er
selbst vor einem fait accompli. Man hatte
es ja auch gut gemeint mit dem char-
manten Gardehauptmann, der noch immer
keine Anstalten machte, sieh dauernd in
die Fesseln einer Schénen zu begeben.
Man wusste ja nicht — — —
	Das Bild von Sats.
Von Theo Schmuz-Baudiss.