JUGEND
				»yWas hat er denn mit ihr zu thun gehabtr* — ,,Nichts.“

yWar’s sein Schatz?“ — ,,Nein.“

»Kinder,“ sagt der alte Herr kopfschiittelnd, ,,ich verstehe
Euch nicht. Das miisst Ihr mir schon ein bischen klar
machen. So weit reicht meine Menschenkenntniss nicht.“

yErzah! Du’s, Schénpflug!“ :

yGut,“ sagt der Aufgeforderte. ,,Hast Du eine Cigarre
bei Dir, Kassewitz? Danke —.“ Die ’Cigarre wird in Brand
gesetzt, und dann fangt Schénpflug zu erzahlen an.

»Also — wir sitzen in der ersten Woche des Semesters
hier im Rodensteiner beisammen, vier oder fiinf Bundes-
briider; Hartwig war auch dabei. Es war alles wie gewéhn-
lich, das Bier gut und der Durst liess nichts zu wtinschen
tibrig. Da legt sich auf einmal Hans Hartwig in seinen
Stuhl zuriick, starrt auf einen Nachbartisch hin und ruft:
Donnerwetter! So pflegt er nimlich seine Bewunderung aus-
zudriicken. Wir drehen uns um und sehen eine rithrende
Scene: An dem Tisch sitzen zwei unscheinbare Kerle mit
verstudirten Gesichtern und schmutzigen Anziigen, Kerle,
die zu nichts anderm gut sind, als dass man sie hingt oder
Geheimrathe aus ihnen macht. Sie hatten offenbar der
Kellnerin etwas gesagt, was ihr nicht behagte. Denn das
Madel dreht sich herum und lacht. ,,Das fehlte mir gerade
noch,“ ruft sie und lasst die beiden mit méglichst verdutzten
Gesichtern zuriick. Die Kellnerin war, was Hartwig ein
famoses Weib nennt. Fast so lang wie er, eine volle Figut
mit wunderbaren Haaren, die ich sofort fiir unecht erklarte,
Sie hatte ein enganliegendes schwarzes Kleid an, das ihi
vorziiglich stand, wie Hartwig behauptete, der in solchen
Sachen Kenner ist. Mir persénlich sind solche grosse Weiber
unangenehm. Da ist mir so ein kleines, zierliches Ding viel
lieber, aber zum Hartwig mochte sie passen. Sie hiess
Mathilde und war am Morgen desselben Tages erst ein
dienstbeflissener Geist im Rodensteiner geworden.

Durch die Anregung Hartwigs stand sie bald im Mittel-
punkt des Gespriéchs. ,Was mag sie wohl mit den beiden
Bummlern da driitben gehabt habenP Wette — die wollten
ein Liebesabenteuer anbindeln und sind abgefahren.“ Diese
Theorie Hartwigs wurde von allen Seiten beleuchtet und
erértert. Auf einmal schlagt er auf den Tisch und ruft:
»ich muss wissen, was da los war.“ Er stiirmt geradewegs
auf die beiden Ungliicklichen zu, die sich, weiss Gott, nichts
Gutes erwarteten. ,Auf Ehre und Gewissen,“ ruft er, ,,meine
Herren, was haben Sie mit dem Madel vorhin gehabt?“ Die
Beiden sprangen ganz entsetzt auf — kleine Kerle, die dem
riesigen Hans kaum bis an die Brust reichten — und ge-
stehen stammelnd ihren Angriff und ihre Niederlage, nicht
ohne sich dabei nochmals bei ihrem Interviewer zu ent-
schuldigen. Der griisst leichthin und dreht ihnen mit einem
	Gezeichnet von A. Schmidhammer,
	„Чапке bestens® 4еп Вискеп. — Ез war also wirklich, wie er
vermuthet hatte. — ,,Das Madel gefallt mir“, sagte er, ,,Donner
und Doria, die hat Schneid!“

Da geht die Mathilde gerade vor ihm voriiber und er
schaut sie an mit einem Blick, dass sie unwillkiirlich einen
Augenblick stehen bleibt und fragt: ,,Wollen Sie etwas von
mir?“ — ,,Nein“, ruft er, ,,vorlaufig nicht!

Aber der Blick hat gesessen, wie die Hochquarten,
die er schlagt. Wir stehen nach einer halben Stunde auf,
um etwas Luftverinderung zu suchen, das heisst yom Roden-
steiner in’s Kaffeehaus zu gehen. Die Mathilde reicht ihm
seinen Stock und begleitet ihn ganz unwillkiirlich bis an die
Thiire. Da dreht sich Hans noch einmal um, klopft ihr wohl-
wollend auf die Schulter und sagt: ,Sie sind ein braves
Madel, Mathilde. Lassen Sie Sich nur nicht mit solchen
Kaminfegern ein. Da gibt’s andere Leute. Adieu, Kind.“
Dreht sich um und geht.

In vierzehn Tagen ist sie bis tiber die Ohren in mich
verliebt, was gilt die Wette?“ ruft er uns auf der Strasse zu.

Zum Wetten kam es aber gar nicht, denn keiner zweifelte
auch nur im Geringsten daran, dass ihm sein Vorhaben ge-
lingen wiirde. Es ware das erste Mal nicht gewesen. Nur
erhielt die Sache diesmal einen etwas fremdartigen Anstrich,
denn Hans war verlobt. Dabei ist er ja ein merkwitrdiger
Kerl, von einer geradezu peinlichen Gewissenhaftigkeit und
seine Braut hatte er gern wie — wie die Sonne — oder einen
Krug Miinchener.

Es war also ganz berechtigt, wenn ihn einer von uns
fragte: ,.Nun — und die Braut?“

»Ach was“, lachte er, ,,es ist die reine Spielerei. So ’ne
Kellnerin ist doch im giinstigsten Fall eine Nummer. Nur
damit ich nicht aus der Uebung komme; was liegt mir daran,
ob das Madel sich in mich verliebt oder nicht? Ich bin
versorgt.“

Bester Doktor, nach acht Tagen sitzen wir wieder einmal
hier im Rodensteiner. Auf einmal giesst mir jemand ein
halbes Glas Bier iiber meinen Rock. Ich fahre herum —
es war Mathilde. Sie entschuldigt sich nicht, sie gibt mir
kein Tuch zum Abtrocknen, sondern sieht unbeweglich auf
einen bestimmten Punkt. Ich habe ihn sehr bald entdeckt —
es war Hartwig, der gerade zur Thiir hereinkam. ,,Du hast’s
los“, denk ich bei mir. Das war also, wie gesagt, nach acht
Tagen. Wie finden Sie dasP

»Kinder“, sagte Hans, ,das Weib fangt an, mir ftirchter-
lich zu werden. Gestern Abend springt sie mir nach bis
an die Thiire, packt mich bei den Schultern und drickt mir
die Hinde, so fest sie kann. Mit Mith’ und Noth konnte
ich sie wieder zuriickschieben. Die ware mir wahrhaftig auf
offener Strasse um den Hals gefallen. Aber Leidenschaft