Zeichnungen yon Bernhard Paskok.
	Моно:
Die Jugend schwindet.., fiber Bimini,
Dem blauen Land, geht roth die Sonne unter.
	S war ein alter Park, gross und \ууип4егЬаг, ши {0-

nendenWipfeln und verwitterten Gétterbildern. Die
Quellen brachen sich in einzelnen Theilen cigenmichtig
ibren Weg, tiirkischer Flieder wucherte an der Um-
zaunung, schwere Kirschbiume neigten sich iiber kies-
beschiittete Pfade. Wenn man die Hangematte sich an
schwiilen Nachmittagen ausspannte, lag man wie im
Walde, und iiber den Kronen, im Sonnenlichte, zogen
die Falken, und die Habichte strichen hin und her und
spihten nach den Tauben des Schlosshofes.

Mit, meinem Freunde war ich oft in diesem grossen
verwilderten Garten, denn dem Vater meines Freundes
gehérte er ja. Oefter aber noch lief ich mit Fritzi darin
herum.

Fritzi war siebzehn, lustig, toll, hatte heisse Augen
und heisse Lippen trotz ihrer Blondheit. Als gute
Kameraden waren wir immer zusammen. Es nahm auch
Keiner Anstoss daran. Der Vater hatte mit seiner Land-
wirthschaft zu thun,; die Mutter mit dem Haushait. Mein
Freund Paul spiesste eifrig Schmetterlinge auf, und
Fritzi?s Gouvernante war seit einem Vierteljahr ent-
lassen.

Ob ich sie lieb hatte, ich weiss es nicht.’ Klar iiber
mein Gefitthl war ich mir damals gewiss nicht. Und
sie ebenso wenig. Wir plauderten in volister Harm-
losigkeit und scheerten uns den Teufel um alles andre.

Eines Abends klopfte Fritzi an meine Thiir.

»Kommen Sie mit?‘

» Wohin P*

vich soll noch, einen Korb Rosen brechen,* sagte
sie, yvon den rothen. Weil morgen doch Papa’s Ge-
burtstag ist.* —

Und so gingen wir denn hinab in den Park. Es
ward schon dammrig. Die Wege lagen aber noch hell
und deutlich vor uns. Vom Dorfe lauteten die Abend-
	Von diesem Augenblick an verfulgten wir den grossen
	-Nachtfalter. Hier liess er sich auf einer Blithe nieder,
	‘ohne dass seine zitternden Filigel zur Ruhe gekommen
waren, dort taumelte er irren Zuges um die Pflanzen
und dann plétzlich flog er langsam im Zickzack davon.

Es ward uns seltsam dabei. Wir standen zugleich
auf und sahen ihm nach. Und eine plétzliche Be-
klommenheit lihmte uns, eine halbe Furcht, ein schau-
erndes Gefiihl, dass nun mit ihm das einzige lebende
Wesen entschwinde, und dass wir beide, wir beiden
jungen, thérichten Menschenkinder bald mutterseelen-
allein hier in dem grossen michtigen Parke sein wiirden.

yJetzt ist er fort*, sagte ich endlich und athmete
tief auf. Ich berithrte ihre Hand. Sie zitterte leise.
Und es war ein so gewaltiges, erdriickendes Schweigen
um uns, und die Rosen aus dem Korb dufteten sc
stark, und mir war, als misste ich in schauerndem
Jugendgliick die Arme strecken und recken.

Ich weiss nicht, ob die Drossel.im Hollunder wirk-
lich sang, oder ob ich es mir nur einbilde. Aber ich
weiss, dass ich plétzlich Fritzi’s heissen Mund kiisste.
Brust an Brust gepresst blieben wir bei einander. Wir
hatten uns umschlungen und wir dachten alle beide
an den grossen Schmetterling und die grosse, grosse
Einsamkeit. Es war sehr merkwiirdig. Und wir gingen
nachher in’s Haus in angstlicher Scheu‘vor dem Dunkel.

* * *

Ich habe Fritzi nie mehr gektisst. Sle kam des
Abends nie mehr in den Park. Und ich warte noch
jedes Jahr, dass der Windig wiederkommen soll. Viel-
leicht, dass mich dann ihr heisser Madchenmund in
seltsamer ahnungsvoller Beklommenheit und heiligem
Jugendschauer wieder kisst.

Aber die Windige sind sehr selten. Das steht in
jedem Konversationsicxikon. Pel Roce
	Carl Busse.
(Preisarbeit.)
	glocken. Ein Vogel schlug im Traume hie und da an.
Die heimgekehrten Rinder klirrten in den Stillen an
ihren Ketten.

Als wir das Rosenrondell erreicht hatten, stellte
Fritzi den Korb auf die Erde, und bald flogen die schén-
sten Kronen hinein. Der Worte wurden es an diesem
Abend nicht so viel wie sonst. Es mochte wohl an
der ganzen Stimmung liegen, an der Stimmung des
Abends.

Dann rasteten wir auf einem Binkchen. Sie hatte
die Hinde in den Schooss gelegt und baumelte nach
Backfischart mit den Beinen hin und her. Ich sass
neben ihr und summte ein Liedchen,

Immer mehr Sterne kamen allmahlig droben am
	Himmel zum Vorschein, unten die Wege wurden dunkier,
	der Duft der abgeschnittenen Rosen, die im Korbe переп
	uns standen, betaubte uns.
Plétzlich, wo Winden und Liguster durcheinander
	wucherten, uns grade gegeniiber, bewegte sich etwas.
ysehen Sie“, sagte Fritzi und stiess mich an.
	Langsam und schwerfallig, mit zitternden Flugeln:
	stieg ein grosser Nachtschmetterling empor ипа зспмеме
liber den Bliithen und Kriutern.

Unwillkiirlich dimpfte Fritzi ihre Stimme.

»Ein Todtenkopf*, Riisterte sie.

»Nein“, erwiederte ich, ,cin Windig.*

Sie schiittelte leise den Kopf: ,Es ist doch ein
Todtenkopf*, entgegnete sie.

„АЪег ich sage Ihnen, es ist ein Windig.“

Sie blieb lange still. Und dann, mit seltsam weicher
Stimme, die ich gar nicht an ihr kannte, antwortete
sie: ,Natirlich ist es ein Windig!*