durch die Haut, wihrend die rechte gleich einem bleichen Schatten in den Dammer falbte. So ver- harrte es eine Weile. Dann wandte es sich still der Thiire zu. Der Sturm aber riss ihm den Riegel aus der Hand und warf es zuriick. Funken stiubten aus dem Kamin und verglommen als goldener Regen iiber Tisch und Tafelrunde. Der Blinde war zusammengefahren, denn er ftthite des Madchens Nahe. ,,Angela — bist du noch dap* wimmerte er. ,,Es wird Zeit, Kind; du kommst zu spit auf die Strasse und findest kein Obdach fiir die Nacht.“ Und der Alte begann zu schluchzen, ein thrinenloses, krampfiges Schluchzen. ,,Ich hab’s beim Bettel aufgelesen. Ein Findling, hinterm Berg weg, den Bauern davongelaufen! Mir gehért’s nicht, mir nicht — ich hab’ keinen Anhang, keinen Anhang — ihr miisst mich behalten! — Geh, Kind, geh — das Dunkel kommt zu friih!** — Das Madchen hatte den Kopf erhoben iiber der armen Selbstsucht dieses Jammers, schaute unter dem vorgehaltenen Arm durch mit stolzen, abweisenden Augen, als wolle es das Leid seiner Verlassenheit nicht éffentlich verkiindet wissen, und kdmpfte sich wieder dem Ausgang zu. Und die Mannen achteten erst jetzt seines Daseins. »Hunger wird’s haben! murrte der stelzfiissige Schnauzbart iiber den Tisch. Und der zwiefach Buck- lige krihte: ,,’s ist noch Supp’ iibrig!“ Der schwarze Hans aber war eifrig, zwang die Thiir unter Schloss und Riegel, nahm das Madchen beim Arm, hiess es, sich vor seinen eben geleerten Teller setzen, und schopfte den ubervoll. Das Kind beugte sich zum Mahle, hob den Léffel und liess ihn mit fliegenden Fingern plumpsen, wozu zwei dicke Thranen die Suppe salzten. Dann umkrampfte es die Lehne, starrte mit heissen Augen, schlug heftig die Hinde vor das Gesicht und weinte lautlos, die Zahne zusammenge- bissen, wahrend Stésse die Brust durchschiitterten. Stille umbannte die Mannen. Ihre Augen 6ffneten sich und sahen, sahen in die Tiefe, der sie mit Schrammen und Schrunden entronnen waren, in jene Tiefe, wo jeder sich mitht, zuckende Leiber zu thtirmen, um den Kopf aus all? dem Dunst und Duft strecken zu kénnen, und wo die nachste Woge ihn unter die Fiisse der Folgenden wirft. Derart war das Mitleid, das in einem jeden aufquoll, ein Mitleid mit der eigenen Vergangenheit, wenn es sich auch offenbarte als Er- barmen mit der jungen Weltfliichtigen. Und dieses Erbarmen leuchtete aus der Theilnahmslosigkeit, aus dem stummen Dahinleben all dieser abseits Gestran- deten gleich einer weissen Schwinge, die aus gritnem Nebel aufsteigt. Ein heimlicher Glanz lichterte durch die Halle. Die Mannen fithlten ihn, scheu, als den Widerschein eines heiligeren Daseins, das einmal ihrer gewesen war und das sie langst verdorben gewahnt und langst vergessen hatten. Und einer nach dem andern suchte verstohlen den Ddmmer eines Winkels.