[ Das Ende, Чаз Еп4е ... ипа war denn
das wirklich das Ende ... wirklich?
	Sie schluckte und schluckte. Heisse,
zornige Thrinen kamen. Am _ liebsten
hitte sie sich auf den Boden gesetzt und
geweint, — Sie fuhr zusammen, als sie
seine Stimme hérte, dieselbe Stimme, die
ihr einst wie eine stete Liebkosung ge-
klungen.

yoprich, Kathe“, bat er, ,,ziirnst du
mir?“ Er beugte sich herab, um in ibr
Gesicht zu schauen.

»Nein!* sagte sie — so leise, dass ег
es kaum verstand. Wie das klang!

»Dann leb’ wohl, Kathe, ich werde
Alles in Ordnung bringen; wenn Du
mich brauchst, ich bleibe natiirlich immer
Dein Freund. Leb’ wohl!
	Er griff nach ihrer Hand, die sie ihm
willenlos itberliess. Er machte eine Be-
wegung, als ob er noch etwas thun oder
sagen wollte — dann zog er den Hut, so
tief und héflich, wie die Welt dies vor-
schreibt. — — —
	Nun tiberschritt er die schmale Wiese,
um auf die Landstrasse zu gelangen. Ein-

mal schaute er um.
	Sie starrte vor sich hin.
	die Weite. Ein Schweigen schob sich
zwischen die beiden wie eine unsichtbare
Scheidewand. Mit dem festen Vorsatze
war sie hergegangen, ihn zu iiberreden
um jeden Preis — des Kindes wegen.
Was hatte sie sich versprochen von dieser
Auseinandersetzung unter vier Augen!
Jetzt wusste sie erst, dass sie immer noch
gehofft hatte — leise aber fest. Und was
sie sich bis zur Ermiidung oft zurecht-
gelegt in langen Nachten! Und nun..
was er ihr da eben gesagt, das war eigent-
lich nur die Wiederholung jenes Briefes,
minder kalt wie der todte Buchstabe und
vers6hnlicher in der Form... aber sonst. .?
Das war alles so klar, so klar; wie hatte
sie nur einen andern Ausgang erwarten
kénnenP Sie kam sich vor wie eine
Bettlerin, die einen Fremden um etwas
Grosses angeht, um ein Opfer, das der
niemals bringen kann — weil er ein
Fremder ist. Und doch, sie hatte manches
gegen ihn ausspielen kénnen, vieles, aber
sie wollte nicht, sie konnte nicht: sie
war zu miide dazu, zu empfindsam, viel-
leicht auch zu stolz. Sie wollte sich
ihm nicht an den Hals werfen; lieber
Hunger leiden. Aber war er denn ein
Fremder, war er nicht der Vater ihres
Kindes ...? Ja, doch er erfiillte das
Gesetz, mehr noch, indem er dem Kinde
ein Almosen gab. Ihr war er nichts schul-
dig; nichts vor Gott und nichts vor der
Welt. Sie spiirte eine Ermattung in allen
Gliedern und ein flebriges Frésteln. Sie
hatte sich auch so diinn angezogen; aber
es war doch Frihling?

Eine Bitterkeit sondergleichen be-
michtigte sich ihrer — gegen die Welt,
gegen Gott, gegen ihn, gegen sich selbst.
Vor ihren nassen Augen léste sich alles
in ein Chaos auf — die Ebene mit ihrer
Oede, der Fluss mit seiner gelben, triage
und theilnahmslIos sich dahinwdlzenden
Fluth. Und die Pappelbadume und die
Weidenstiimpfe fingen an zu schwanken
und zu tanzen. Verfarbte Bilder der Ver-
gangenheit drangten sich hinein.
	Sie war immer ein stilles Ding gewesen,
scheu und stolz, voll von Marchen, Ge-
schichten und Sehnsucht. Ihre Eltern
waren gestorben und das Alltagsleben war
sorauh. Da war er gekommen. Sie hatte
sich sofort Hals @Бег Kopf in ihn ver-
liebt — ohne zu fragen warum und wozu.
Er war ja so gut und so klug. Und sie
war trunken gewesen von Gliick, hatte
geweint und gelacht in einem Athem.
Damals hitte sie alles gethan, was er
verlangt haben wiirde. Sie hatte immer
ihren Roman haben wollen, das war das
Ende.

Was nunP

Sie kornte doch nicht namenlos un-
glicklich werden ein ganzes langes Leben
lang fir ein Paar Tage Sonnenschein —
und war denn ihre Siinde so gross?

Eine Méve flog auf mit eigenthiim-
lich winselndem, klagendem Schrei. Sie
schreckte zusammen und dachte an ihr
krankes Kind daheim.
	Bei der Biegung der Chaussee sah er
7um zweitenmal um.
	Sie stand noch immer auf demselben
Rleckchen.
	Sie wiirde doch nicht... nein, dazu
war sie zu verniinftig! — gottlob, dass
das voriiber war. Wie sie sich verandert
hatte, wie mager sie geworden war, wie
elend sie aussah. Er hatte heute manches
Stérende in ihrem Gesicht und in ihrer
Gestalt gefunden. Ja, so ging es mit den
zarten Geschipfen, deren ganze Schénheit
in ihrer Jugend bestand und in dem Dufte
ihres Unberiihrtseins. Wie sie ihm leid
that, das arme Madel. . Dabei wandte er
sich mechanisch noch einmal um, obwohl
er wusste, dass er sie nicht mehr sehen
	konnte. —
	Es war im Monat Mai, da hatte sich
ein Schmetterling an séiner Brust ver-
flattert. Ein junges Ding mit liebem Ge-
sichtchen und sonderbaren Augen. Und
der spréde rothe Mund hatte iiberraschend
schnell das Kiissen gelernt... das war
vorbei. Ein Anderer wiirde es nicht an-
ders gemacht haben an seiner Stelle. —
Er schritt schneller aus; aber das Gesicht
konnte er nicht los werden, das todten-
blasse Gesicht mit dem  verzweifelten
Ausdruck und dem gegen das Weinen
kimpfenden Mund. ... Sie war selbst
noch ein halbes Kind. Und...? Was
doch! Es war ein kleiner Roman und —
das war das Ende. Was war denn Ausser-
gewéhnliches dabeiP Sie wiirde dartiber
hinwegkommen — und zum zweiten Male
glitcklich werden. Und das Kind... das
konnte sterben; es war am Besten so
und doch... war’s eine unangenehme
Geschichte. Wenn nur seine Braut Nichts
davon erfithre! — —
	[во Lroshownik (Berlin).