Oas Simmer

Зои
Heintid Berfaulen
	Dora YFaften tft Oberlehrerin. Gie fieht
fon{t Rlaffenauffage nach und freut fich jedes-
mal dreibig Tage lang auf die neue Tummmer
von , Weftermanns Monatsheften . Bon dem
Fenfterbord ibres Hergens nicken trokbem in
iedem Gommer noch rote Geranienbiifdjel.

Sie hat eine ftille Freude fic) behalten an
allem, was fie tut. Uuch wie fie fic) angieht.
Nur manchmal beben nervds ihre Mafen-
Иное, wenn die Elektrifche gu laut bimmelt.
Und ein fpinnwebfeines Gewirr mimofenbafter
Ydercyen gittert dann in ihren Wugenwinkeln.
Nur daran kinnte man erkennen, dah fie dte
Mitte der Dreikiger fdjon iiberfdjritten haben
ИВ:

Sie gieht fic) allabendlicd) um. Meiftens
den dunkelvioletten Kimono. Und trinkt Gee
mit 3itrone aus einer echten Sapanfebale.
Hin und wieder raucht fie Hiergu eine Biga-
теНе. WAWber nur des Duftes wegen.

Dora Faften treibt aud) fogiale Studien.
Aber trogdem fie die Sehiilerinnen individuell
behanbdelt, fefen die ihre Lehrerin nur wie
hinter einem Tiillfchleier.

Sogar ihr Simmer ijt mit einem unficht-
baren Sill ausgefcylagen.

Nur einer WAbfonderlichkeit frint Dora
Faften. Ste weig, dah die Bubfrau fehr wik-
begierig ift. Sbhr lat fie manchmal morgens,
wie abficjislos, eine Steuermabnung auf dem
Schreibtife) offen legen. (Sie hat die Rleinig-
keit unterdeffen dburd) Bofifejeck пани [оп
beglidjen.) Oder den Umfchlag eines gufallig er-
haltenen Cingefdrigbenen Briefes. Das ift [ет
prickeind. Sie kann dann mitten im Unterricht
plaglic) [adseln und fid) freuen: jegt Halt babeim
dic Pusfrau ratlos den Briefumfedylag in der
Hand.

Noch etwas fallt in dem Bimmer der Dora
Faften auf. Dict am Fenfier, auf dem. Ytaha-
дозе Фет, ftehen gwei kleine Elefanten aus
fcywargem Chenholg, die Riiffel aus Clfenbein.
Dora Faften nennt den einen das Wtannejen, den
	anderen bas ЗБефаеп. Vlur Dora ЗаНеп kann.
	fie Bon einander unter deiden, wenn fie den beiden
wortlofe Gefcdhidjten ergdbit.

Die gmei Elefanten ftammen von ihrem Freund.
Gr hat fie ibr einmal von einer fiibamerikanifcen
Farm mitgebracht. Фей зеби Gahren bat Dora
¥aften keinen Greund mehr. Wher mancdmal
abends, wenn fie Zee mit Zitrone frinkt aus
der edjten Gapanfdjale und bin und wieder eine
3igarette bagu raudjt, aber.nur des Duftes wegen,
dann bérte fie aus bem Galon ihrer 3immer-
nadjbarin eine geddmpfte dunkle Mtarinerftimme.
Shre Simmernachbarin ift Uififtentin am chemifdjen
Inftitut.

Die hat einen Freund.

Dann kann es vorkommen, dak Dora SFaftens
Nafenfliigel nervds beben, als wenn eine Elek-
trifdye gu ftark bimmelte. Und das {pinnwebfeine
Gewirr mimofenhafter Yderdjen in ihren Wugen-
twinkeln beginnt gu agitiern. Und dann kann es
Года’ vorkommen, dah Dora SFajten pliglich
аи) ино trdnenlos in das fetbene Riffen
iver Oftomane weint, iiber die ein Gehal nach
perfifchem Mufter gebettet liegt. —

Aber trogdem nicken in jedem Gommer von
bem GFenfierbord ihres Hergens wieder rote Ge-
ranienbiifdjel. . .
	Von einer bofen Crbfchatt
	M. RMR. Meher = Sambrnd
	yOle konnen natiirltch nichts davon wiffen,

weil Sie viel gu jung find!” fagte Bater Mor-
tier eines Ubends au mir. „Эи den Seiturigen
hat woblteislic) nie etwas dariiber geftanden.
Uber in den Zeiten des Ungliicks- erinnert man
fid) gern eines anderen Ungliicks, das gliick-
lid) Hinter einem liegt, bas felbft in der у
innetung noc) immer nicht kleiner werden will.

@s war gu einer Zeit, ba uns nicht Hak und
Rriegsgefechrei erregte, ва man idnllifd) gue
frieden fein konnte und es dennoch, weik Gott,
nicht mar. Sm Gegenteil, man verlangte von
feinem Gott weit mehr, als. biefer einem all
bie {angen Sabrhunbderte bindurc giitig genug
gugeftanden hatte. Dian beariff nicjt, dab
mit bem Lode eines MWtenfeyen auc) all das
Geiftige, Seelifebe aufhiren follte, das jenen
bet uns beliebt und verefrt gemadjt Ва.
Man wollte fic) hinfort nicht mehr mit den
maiteriellen Erbfcaften gufrieben geben. Wan
forderte auch, daR alles Wiffen, jede Erfab-
rung aus einem fogufagen réichen Leben auf
einen. Uberlebenden, WUlten. oder Gungen, Ber=
wandten oder aud) nur BSekannten, faut leh=
tem Willen tibergehe. Vtan ging foweit, den
Egoismus folcherart Erbfdjleicher als eine fitt-
lidje Forberung gu feiern. Und als wieder
eintmal ein Saber von einem neuen abgelift
wurde, erwies es fic), dab ber Himmel, ofne
befondere Unkiindigung, Einfehen gehabt hatte
und uns mit einer Gnade befdjenkte, die bald
als Ibel aller bel von den meiften Mtenfejen
empfunden wurde. Der Staat шаг пани)
gleic) mit einer neuen CErbfcjaftsftener gur
Hand, die jeder Betroffene nur als Geredhtig-
Rett Hinnahm. Denn guerft verftand es wobl
jeder, aus bem geiftigen Reicytum auch folcyen
heraugaufchlagen, der, fo vergdnalich er fein mag,
dennod) das Leben erft als lebenswert е фетеп
lat. Kleine Ripfe wurden tiber Nacht grope
Robpfe. Sohne wurden, erft etwas durch den Tod
ibrer Biter. Cin erbltcy bedadjter Schloffer fab
es als etwas Gelbjiverftimbdliches an, dab er das
Wiffen feines verblidjenen entfernten Onikels eben-
falls bdagu verwandte, Univerfitdtsprofeffor gu
werden. Gin Regierungsaffeffor pfiff auf Ron-
nezionen, 3ukunftslorbeeren und Orden und fithlte
fic) als Wbdeckermeifter Hinfort bei weitem gliick-
licher. Wher balb kam die Welle der Ungufrieden-
heit wie eine neue Sintflut iiber bas gange  Land.
Man erkannte fic) unangenefrn belaftet. Die
Зиг der Gelbfimsrder wudys erfejreckend an,
und, wie bie Statijtik nacjwies, hatte man Гай
immer den Grund in der neuen bifen Erbfchaft,
der geiftigen, gu fudjen. Cin Sunker wurde irre
finnig dariiber, bab er fich, nur weil es der Tod
feines allgemein als verkommen gegoltenen Bru-
ders alfo wollte, nur nod) mit der PBolaritite
lehre befchaftigen mupte, wahrend fein Ritterqut
allmablid) verkam. Gs зе fic), dah man folche
Erb{daften leiber nicht аи [адепт konnie wie
all die anderen, nac) denen bisher menfeblidjes
Wiinfehen gegielt hatte. WMtan rief die Rirde au
Hilfe. Sie verfagte ebenfo wie die Medizin. Die
Guriften gerieten fich mit ihren entgeqengefegten
Theorien bebdenklic) in die Haare, Cin Krieg
fehien herauffieigen зи wollen, wie man ifn in
ciner derartigen Gchrecklidjkeit nocy nidjt auf Er-
den gekannt бафе. Oberall witterte man Hod)
ftapler. Die Gerichte mubten wegen der guneb-
menden. Beleidigungsklagen vergehnfadjt werden.
Mtan fchalt auf die Kunft. ЭЖап lafterte Rant
nicht weniger als die alten Griedjen und Ramer,
por denen man nod) eben eitel Ehrfurcht gebabt
hatte. Was foll ic) Ghnen diefen Beitstang der
Geifter noc) ndher befchreiben! Sie wiirden ibn
docy nur anndbernd verftehen kinnen, wenn Gie
felbft einer der Tanger gewefen waren, — junger
Mann, der Sie heute den Kopf wegen anbderer
Dinge {chon bedenklich bangen laffen. Heute ift
		Каф! ае)апа
	Serunter ftromt Mujif aus Sternenfreijen,
Melodljd raufdt Ser Born der ew’gen Macht.
die fidy Sem Schidjal beugen, find dfe Weifen.”
Wie Séstterftimme tont es urd die Кафе
	Aufhordy’ id), jeblaflos, auf yerwiiblten Kijjen;
Wild hammert meines Sersens lauter Sdlag:
Aufhordh’ id), fdylaflos und von Sdmers serrifjen,
tind denf’ mit Grauen an den nddften Taq.
	die fidy dgm Sdidjal beugen, find die Weijen.”
Go flingt es janft und janfter mir ins Obr;
Verflingt wie Sdlummerlied; und-nod in leifen
UFforden hdr’ id) an der Tedume Tor:

die fid) dem Sdhidjal beugen, find die Welfen.”

Wihert Wiatthii
«
	Leben ohne Srauen und Mujif...
	Leben ohne Srauen und Mupfie

Sft ein hartes Cragen —

On die Serne swang uns das Gefdic,
Mupten jenem fiipen, Janften Olid
Ad, fo lang entjagen !
	(10813 ашр’м in der Derbannung wir,
feldgewohnte Geelen ;

Sinter fiihlen Gleidmuts Stabloijier
Diitften wir nad) bunter Sugendsier,
Srennen und verjdwelen.
	Mander Klang wird, fehren wir surtic,
Unjern Tag umfdyweben;

Srauenliceln wirbt um unjern Slid —

Dod) der hingegang’nen дарге ФШФ

Wird uns nidjt geqeben. Reinhard Weer