Cherubino

Don Yilly Seidel
		s mag etwa 20 Jahre her fein. 3d) war elm gern gefehener Gait

{т Ваще des Grafen Cieffenberg зи Weimar. Das Ehepaar
befaf einen eingigen, fedzehnjahrigen Sohn namens Being, der infolge
eines Unfalles, den er als Hind erlitten, gefdywacht geblieben war und
fehr gefdhont wurde. ch felbft yahlte an 23 Jahre, und hatte einen
Pofter als Derwalter eines Gutes in der Wahe der Refidenz, die tc
allfonntiglic) befudjte,

Cinmal, es war Fnapp gegen Ende der Spielzett, etwa Ende Mai,
bat man mid, dem jungen Being eine Serftreuung зи verfhaffen, oa
die Eltern am Ubend fenes Cages zu einer Gefellfdhaft geladen waren.
Und fo trat er denn, auf meinen т geftlikt, die Heine befdhwerlice
Reife ins Hoftheater an. Xch lief mich in der @4е dee griflicen
Soge mieder, wahrend er neber mir Play nahm, blag, forreft und in
gefammelter, gliictlicer Erwartung: ein Furzer Wufenthalt zerftrenter
Blicde, ein langer, nachdenflidjer der meinen. Gu unfrer Seite und
unter uns [ag das diftinguierte Publifum jener Pletnen, fauberen und
wiahlerifden Refidenz in den FSauteuils ; mattweiffe Urme verfchraintten
fich auf den famtnen Briiftungen; Furjes Sener von Jumelen bligte
auf; Seide raufchte. Und ein gedimpfter Con umrann uns wie eine
Iaue Welle: nichtsfagende, gefattigte Unterhaltung, jzuweilen ourch
fpige Sachténe fetfe unterbrodjen, 3c behagte mich an dem Unblic
des Fleinen Heinys Cieffenberg und freute mich tiber das edle Profil,
das er mir regungslos darbot. Seine fdlanfen Bande umfpannten,
auf den Huieen rubend, das Perlmutter des Operngiafes, und mur
guweilen dffnete ex dte Furzen Sippen zu einer letjen Gemerfung.

Sekt wurden die Snftrumente gefttmmt, und ein holder Wirrwarr
fllichtiger Cone vermabhlte: fic) dem Geplauder der Lente. Es herrfcte
die Stimmung, in dte wir flets verfegt werden, wenn eingelne UFforde,
ohne fic) 3n Congebilden Зи Идем, regellos aufbliihen umd verfinfen:
eine nachdentliche, nervdfe und doc) begliidende Stimmung; ein ев
ohne Erfiillung, ein Gedanfe, der Bilder bebiitet, ohne fte vor ein
wades Gedichtnis зи сие!

Sigaros Hodgeit  

Die Ouvertiive begann. Ein fdjerzhaftes Spiel wie Guten un-
geduldiger Fife, ein Sosldfen und Suden. Ein Sliftern hinter Hecten
und vorfichtiges Umfaffer. Bllihende Lippen, eimander gendhert, ver-
fagen fic) Tachelnd; fenufdhe Grazie griift fich in Mteblickem Seremoniell
tdndelnuden Dermetdens. Dann haftiges Fragen: ein Oboentriller wie
(pringender Strahl an dammrigem Ort, in halben Tonen rucweife
fich hebend; und prachtige Erfiillung, fteil gum Himmel ftrebend, die
{hdumende Kasfaden in ein marmornes Seen {djleudert: witchtige
und fife UFforde.
	Der Fleine Betnz empfand dtefe Utuftf mit «ефииицет, ge-
	filligem Exrnft, doc) bemerfte ic) an dem Spiel feiner Lieder wohl, oaf
er fie miterlebte und in ftch {chwingen lief, wie jedes der Jnftrumente
dort unten, Gr war eit feiner Hnabe, eit Gefchdpf, das fic) fetnem
Reis verfagte; jeder Uebergang, jede dvaftifche Pointe malte fich durch
ein faum merfliches Sucden um feine Lippen wieder. Und feine blafe
blauen Uugen, deren Pupillen grof und {Фтаез geworden waren, ftarcten
unbewegt hinunter, auf Mogarts fonnige Sihne. Der Geift einer
zweiten, Heineren Renattfance wirkte mit jenen naivften Mitteln, die als
verfeinerte, zwanglofe Ytachbliite einer tibernommenen Kultur erwackjen.

Gr atmete tief, als empfinde er einen vertrauten Duft; er befand
ПФ in einer verbrdmten Zatur, in den Geftlden Watteaus, wo die
Damen das Heid anafiltch raffen, wen die Wiefen voll Can ftehen,
auf Sthaufeln fdwingen oder Schafe hiiten; und die Gerren in

a Gee 2 РА
	auf Sdauteln f{dwingen ober Schafe hiiten; und ote Ferren tn
grazisfen Pofer am brédelnden Wauern Iehnen. €r bebte fiir beide
Parteien der Sntrigne; Sufanne war ihm Iteb urd laftig; die Grafin
verehrie er, und Figaro gewann ein leuchtendes Autereffe fiir ihn.

Yun fang Cherubino vor grell getlindter Kuliffe, welche die
Feimlicfeit des Gemackes durcy die gelben Dorhinge der Senfter,
den zartlicen Sierat und die Schatten fclanfer, volutentragender
Pfetler erhdhte, die von Empfindung helafteten Worte zu der reiz-
vollen Melodie, die fte feltfam Icicht durd) Uebergdnge und drangvolle
Paffagen hob. Die Klage des fiidliden Blutes, ourd Hafft{dhe Form
wunderlid veredelt, durdlief die herbe Sfala fuabenhafter Setden caft
gleid) ténendem Silber. Cherubino, in weifen Таз gefleidet, friete
und gab ft ganz der Beraufdung feines Slehens hin. Er tat
зодесное Schritte auf ote Graf ju, fant suriick, {preigte blaffe Singer
und untermarf fic) dem fiifier Jody feines Scpmerzes. Und wahrend
i thn zufah, glitt mein Blicé unwillfiiclich anf meinen jumgert
Machbarn. 3% jah, daf ex fid) in einer Art Undacht befarwd, die
mid) bei feinem Witer Теат anmuten wollte. Sein Geficht war
gerdtet: er wurde fhdner, Die blonden Braue waren wie in Ber
drananis gufammengezogen; die Uugen glangten vor Hingabe an das
Lied, des Pager.

Nh nahm fein Glas zu mir heriiber, und betrachtete diefen
Pagen. Es war ein hibjdhes Madden; etwas mager jwar, doch
ЗЗгий ито Hiiften wurden durch) dte Cracht vortethaft masttert, fo daf
nur die weichen Bewegungen und die atmende, ftirmifce Bedrangnis
des glodenhellen Soprans ihr Gefchlecht verrieten. Shr Hleines Geficht,
	Fugen Spiro (Paris)
	Consultation