Nr. 31
	JUGEND
	Draufen war Sommer. Der Himmel flacterte
pon Blau; Duft vor Heliotrop wehte herein. Es
war oraufen ет wildes, fchwer atmendes дей
von Farben; fle brannten, ineinander gefdmiegt,
und wiberboten fich Der Puls des Lebens. —
Ueber dem allen wob der vielftimmige Chor der
Jnfeften; taufend zufammengedriingte, hetmlich
ftebernde Gerdulche. Und dazwifchen, in fdplafrigen,
fonnigen Daufen, {hludste ein Umfellant.

Und als das Kted verFlungen war, fagte Heing
vor fic) hin — ich horte fein erftauntes fliftern,
fo dentlich, wie andachtigen, verhaltenen Jubel:

„Ри, шеф поф, Зоо, ие её durd das
Senfter fpringer mufte?”

nova; und nachher hatte thn der Gartner um
ein Baar yu faffer befommen.”

Er {апп паф. ,Der fone weife Utlas!
Wenn er fic nur in Udht genommen hat! Er
war fo gewandt, — er ift fier auf die Silfe
gefallen; er hat ficher Gliid gehabt!” Dann
fachte er leife und herzlid. Die Grafin war
suriidgefommen; die harten Ringe ihres {dmalen
Hand prefien meine singer — Пе шаг Тай еп
feelt von Glid.

Einmal fagte Heinz nod:

,Der {chone, fchdne, weiffe Utlas!  Dann
{dlief er- eit Stiindden; und am Ubend wollte
er wieder elfen. Er aff fic) mumnter fatt; und nach
etlidjen Monatett, im Herbft, erhob er icy wieder.

Die Eltern verreiften mit ihm anf Ttingere
Heit nach dem Siiden, wo das Leiden ihn all-
mahlig ganz verlieB...

Dente ich an jenen ldngftverfloffenen Sommer-
tag, wo wit {chier ohne Croft waren, fo fallt mir
eine Rofe ein, die man Fortuna nennt. Sie iff
blafgelb und fprdde; leife vergilbend {don an
den Randern, wahrend die Mitte, die Hnofpe,
noc behiitet liegt. Shr Geheimnis ift dies: Ein
Knabe hatte fic) verlejt und lie§ einen Bluts-
tropfen in die Mitte fallen, der langfam ver-
fidernd die nachften Blatter farbte, dtifter erft,
dann garter, bis aulekt nur ein Gand in das
Gedder trat. Sie heift fortuna... und fo oft
ich fie in Handen halte, denfe id) des Hnaben
und ftelle mir vor: nun ift er bet: thr; mur ift es
Sriibling ywifchen Jntra und Pallangza.
	Frfitre Gebnfude
	„Зав Эаен, mir ein eingig Lied gelingen’,
Dacht’ er als Knabe fehon, ein Liedehen jelicht,
Das traumerifcd) die blonden Madchen jingen,
Ein Lied, das zu des Volkes Herzen fpricht!
	Ein Lied, das itberlebt mein Crdenmallen,
Dies bitt’ ich Dich, Wpoll, aus Hergensgrund,
Gin Lied, bas Liebesleute zartlich lallen,

Ein Liedchen, bas in jedes Deutfchen Mund!”
	Ex wuchs gum Gilngling. Hit ein Mann geworoen.
Erjann mit klugem SGinne manch Gedidht.
Dock was et fang in feywellenden Wkkorden,
Sas eine Liedchen, es gelang ibm nicht.
	Enttiujeht, als Greis tr filberweigen Haaren,
Hat fich des Schickfals Gnade ibm enthiillt,
Wis Greis hat er bas hohe Glick erfahren,
Gein langgetraumtes WMérchen ward erfiillt.
	Er fchrieb ein Lied, das blonde Madden fangen,
Ein Lied, das fich als popular ermies,

Das Liebesleute lallten voller Bangen,

Und diefes fchinen Liedes Kehrreim лев:
	poomeib Dir an mein Herg, jeliebte Niecke,
Wenn ick Dir mit’s linke Ooge kieke,
Rabenaas mit Deinem Holden Bein,

СооБе ick uff Chrenwort,
	o s Paradies м ет!”
Karichen
	uriter dem шеф in den Maden gefimmten, 1018
{huwarzen Socken{hopf, war bald fcbmactend, bald
energifd) und voll Croh; es unterfchied fic) fanm
von dem eines halberwachfenen Hnaben. Es war
iibermalt, und iiber {chmalen Wangen lagen groffe
Wimpern, dte fic) fcpwarz in die Schatten der
Uugengruben fenften. Es herrfchte eine feine,
unablafige Urbeit von Musteln tn diefem Geficht,
das fid) jeder Empfindung berettwillig hingabd;
die fhmwarzen Granen, iiber der Mafenmurzel ver-
mahlt, -hoben und fenften fic; und um die grell-
roten Sippen hufchten leidende Salter.
hiitete mic) wohl, meinem Begleiter das

Glas zuriidjuerftatten. Er lebte т дер Зи оп,
dies fet einer feines Wlters; er fah fich felbft in
ihm, und fiebte den Underen, Gliidlicden. Er
wufte nicht, daG eit Weib ihn (рее, даб er-
worbene Routine in dem mechanifden Dienft einer
Зап Батен Rolle ihre Wirkfamfeit probe. Hier,
aus der ferne, fah er feine Cingelheiten; er fah
nur das beneidens: und liebenswerte Symbol
feines “nnerftert.

Die Paufe fam, und wieder umrann uns dte
mturmelnde Welle gleichgiiltigen Planderns, durd
fpike Sachténe leife unterbrodjen.
		Der grosse Gott
(Fext und Zeichnungen von A. Geigenberger 7.
	Der grosse Gott machte einst einen Rund-
gang um die Erde, dabei kam er an ein klares
Васшет. In diesem tummelte sich eine Schar
fréhlicher Kinder, und ihre jungen schlanken
Korper glanzten in der Sonne wie Elfenbein.

Das gefiel ihm and er sah lange dem
fréhlichen Spiele zu.

Nun kamen aber des Weges eine Menge
frommer Pilger, sie pilgerten zu Gott, denn
sie hatten Busse zu tun.

Da gewahrte der Fiihrer des Zuges die
spielenden Kinder und den Fremdling, der
sich an ihrem Spiel ergétzte. Entriistet schritt
er auf diesen zu und sprach empért:

»Wer bist Du, Frechling, da Du es wagst,
mit dreisten Augen das Nackte zu schaun...
Weisst Du noch nicht, dass wir nackte Men-
schen gleich dem Schweine sind >“

Da streckte.Gott die Hand gegen die Men-
schen und sie waren alle nackt und er sprach:

»Du hast Recht, so habe ich den Men-
schen nicht geschaffen.

Er ging und kam nie wieder.
	idmerglich verzogent ftraubten. Dann aber be-
herr{cte {ich die Stimme, und die Laufe perlten.
	— lind Being hatte die Uugen, dtefe blafblauen
Augen, die jet feltfam wiffend und iiberlegen
umberdrangen, weitgedffiet ; und ihre Pupillen,
in ein filbernes Gefftlde ftarrvend, das aufferhalb
sor Wirklichfeit lag, wurden wie ehemals grof
	und  фшагз.
_ thr, die ihr Criebe des Herzens Репиё:
	Sagt, ift es Siebe, was hier jo brenntr”
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	Etwa dret Wochen modjten verffoffen fein, oa
hérte ich, dah es dem Hnaben wit gut geke,
und daf ic) willfommen fei, wenn ich ihn etwas
befuchen wolle. Die L&hmung, an dec ex litt,
hatte fich derart feftgefetst, daf dte eine Seite des
Hoérpers vollig unbeweglic) war.

ch will die Woche, die man mich damals im
Haufe litt, nicht allzudentlich in die Erinnerung
heraufbefcwéren: fie miirde mir зи (tar gu denfen
geben. Gs fam dahin, даб er die Speife ver-
wetaerte. Sein Geficht unterfdied fic) im der
Sarbe nicht mehr von den Spiken des Hiffens, in
dem её тиб. Es fah aus wie ein zerbrechlices
edles Ding aus Porzellan, fei modelliert, gealtert;
dod) Iag es nod) wie ein Schatten holder Jugend
um die immerroten Sippen, die in diefen Tagen
oft im Krampf ploglicher Weinanfalle und immer
feltener in gliiclichem Sacheln zuctten, Bald wufte
id) nichts mehr, um ihn gun erheitern und ihn mit
Miihe 3u bewegen, einige Biffen 3u fic) 3u nehmen.
Alle Scherze verfiegten angefidhts diefes lanafamen
Sterbens; und jeder Ungenanffdlag ward durch
das brutale Duntel des Unabweisbaren verfchattet.
	Und wie ic) fo an feinem Bette faf, und ote
Grafin am Ende des agers, und wir betde in
fiummem Derftindnis, in matter, und dod) tief
im Grunde hellaufflagender Refignation unfre
Augen fuchten, gewann pl3ylid) — ic weif nicht,
was daran fdhuld war — ein eigentiimlicjes Ge-
danfenbild lak in mir; vielleicht durch den Puder
hervorgerufen, durch) den trage Trdnen aus den
unnatirlich und iberwadkt glangendéen Uugen der
Grafin fdhlichen, oder die leidenden, {chwer be-
herrfebten Falten um die fdmalen Stppen — Pur;
id) dachte unwillfiirlid an den Cherubino, wie er
fid) mir, vom {charfen Glafe aller Reize entfleidet,
im grellen Rampenlicht dargeftellt; an das fnaben-
hafte Madchen und die wuchtig geftricene Saite
ihres Iebenden Organismus, Und ploglid) wufte
id) — wenn etwas nod Stith halt, fo ift es die
	Зин.

Die Grafin hatte frither oft gefungen und
fich felbft begleitet. Shre Stimme war Мет,
dod) gut gefhult, und ihr Unfehlag weich, mit
Ebrfurht vor der Wirkung. Bh bat fle alfo
fliifternd, die Urie зи fingen; verftdndigte oen
Grafen, det regunaslos, in feinen prachtigen,
weifen Dollbart vergraben, im Dunfel des Para-
vents briitete, und {dob die Hand unter Heingeis
Kopf. Gr erwackte aus feinem Halbjdlaf; uno
nun begann der Gefang.

бией flang er recht gebrochen, matt und
geqwutigen; die Worte, durch dfe das volle Blut
des Sebens drangen follte, ftelen von widerwilligen
Sippen, die fid gegett den Widerfinn der Situation